Der Geschmack der Liebe
mehr.“
„Ich danke Ihnen trotzdem.“
Langsam begann Luisa sich unter dem forschenden Blick der Seniorchefin unwohl zu fühlen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Luisa beeilte sich also, ihre Tasse auszuspülen, und wandte sich zum Gehen.
„Meine Pause ist zu Ende“, murmelte sie zaghaft und griff nach der Türklinke.
„Frau Vogt?“ Überrascht hielt Luisa inne. „Bisher sind wir noch nicht dazu gekommen, uns zu unterhalten …“, nachdenklich musterte Eleonore das Gesicht der jungen Frau, „… aber langsam wird es wohl Zeit.“
„Okay“, Luisa nickte und wartete etwas verunsichert ab. Eleonore Hansen hatte wesentlich mehr Stil und Selbstbeherrschung als ihr Enkel, trotzdem wappnete sich Luisa gegen eventuelle Vorwürfe oder gar Feindseligkeiten. Ob der Familienrat doch beschlossen hatte, das Testament anzufechten? Aber da redete Eleonore Hansen auch schon weiter.
„Da Sie nun mit unserer Familie verbunden sind, halte ich es für richtig, dass wir uns etwas näher miteinander bekannt machen. Ich würde Sie gerne heute Abend zum Essen einladen.“
Luisa fehlten die Worte. Überrumpelt nickte sie.
„Gut, dann sehen wir uns also nach Feierabend. Und danke für den Kaffee!“
Die Patriarchin zog die Tür hinter sich ins Schloss und hinterließ eine sehr überraschte Luisa. Essen gehen? Mit Frau Hansen? Schlagartig fiel ihr ein, dass sie Konstantin für heute Abend schon zugesagt hatte. Aber das Angebot von Eleonore Hansen hätte sie unmöglich ablehnen können. Dazu hatte ihr die alte Dame gar keine Gelegenheit gegeben. Also, was tun? Ob sie Konstantin die Situation irgendwie erklären konnte, ohne dass er sie für unzuverlässig hielt?
Während sich Luisa nachdenklich wieder ihrer Arbeit an der Röstmaschine widmete, gönnte sich die etwa gleichaltrige Katharina von Heidenthal mal wieder eine längst überfällige Shoppingtour. Seit Stunden schon probierte sie in der Boutique „Unger“ am Neuen Wall Kleidung an, die sie mit auf ihren nächsten Trip, wohin auch immer, nehmen würde. Die Côte d’Azur wäre ein recht nettes Ziel. Selbstgefällig drehte sie sich vor dem Spiegel. Das durchsichtige, fast pudrige Chiffonkleid brachte ihre schlanke, gebräunte Gestalt verführerisch zur Geltung. Ihr seidiges, dunkles Haar, das sie als Bob trug, hatte sie im trendigen Sleek-Look glatt gezogen, sodass ihr schmales Gesicht dem einer Elfe glich.
„Darf ich Ihnen noch ein Glas Champagner bringen?“, fragte die Verkäuferin diensteifrig, schließlich erhielt sie eine Provision auf jedes verkaufte Stück. Außerhalb Katharinas Umkleidekabine türmte sich die aktuelle Sommerkollektion der teuersten Designer.
Katharina, bereits etwas angeheitert, nickte huldvoll und trat vor die Umkleidekabine, um das Ausmaß ihrer Beute in Augenschein zu nehmen. Summa summarum würde es sie in etwa 20.000 Euro kosten, wenn sie alles nehmen würde. Kleingeld war etwas anderes, aber schließlich wollte sie die Schönste sein, wenn sie abends den Hafen von Saint Tropez entlangflanierte. Den größten Posten bildete definitiv das Chiffonkleid von Wunderkind Couture. Mit 8.000 Euro war es zwar nicht gerade ein Schnäppchen, jedoch wie gemacht für sie.
„Es steht Ihnen ausgezeichnet!“, vernahm sie auf einmal eine tiefe, dunkle Stimme neben sich, gepaart mit einem harten Akzent. Katharina drehte sich um, und ihr fragender Blick kreuzte den des Mannes neben ihr, der sie unverhohlen bewunderte. „Sie sehen darin aus … wie eine Elfe. Nehmen Sie es!“
„Mischen Sie sich immer ungefragt in die Angelegenheiten anderer?“, entgegnete Katharina schnippisch und trank ostentativ einen Schluck Champagner.
„Nur wenn die Angelegenheit so hübsch ist wie Sie. Aber ich bin unhöflich, gestatten Sie also, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Dimitri Tarasow.“ Mit diesen Worten ergriff er Katharinas Hand und hauchte einen Kuss darauf.
Ein Russe, sieh an, dachte sie und taxierte ihn genauer. Seit einigen Jahren waren es die Käufer aus Russland, die am ehesten in der Lage waren, die überteuerten Preise für Haute Couture zu zahlen, die mittlerweile von den Designern verlangt wurden. Dieser Dimitri musste also eine gute Partie sein … unattraktiv war er jedenfalls nicht: Ende vierzig, wettergegerbtes Gesicht und ein Dreitagebart, der seine Züge markant machte. Katharina sah sich um, konnte jedoch keine Frau entdecken, auf die der Russe wartete. Also schenkte sie ihm ihr berühmtes Katzenlächeln, verschwand in ihrer
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