Der Geschmack von Glück (German Edition)
ein neues Drehbuch, eine neue Filmpartnerin – all das brachte ihm wieder in Erinnerung, wieso ihm die Schauspielerei mal Spaß gemacht hatte: diese Herausforderung, mitten ins Leben eines anderen Menschen geworfen zu werden und sich darin zurechtzufinden.
Das Restaurant The Lobster Pot lag nicht weit vom Strand entfernt; Graham sah es gleich, als er die Straße hinaufging. Es war kurz nach halb acht, also war Ellie sicher schon da. Draußen stand eine Gruppe Fotografen – ihre dunkle Kleidung verriet sie, obwohl sie wie unbeteiligte Touristen wirken wollten. In der Nähe parkten einige Motorräder; mehr als einmal hatten sie Graham damit verfolgt, als er sich aus einem Restaurant oder Club zu schleichen versuchte. Diese Verfolgungsjagden hatten etwas atemlos Absurdes, und er sah zwar ein, dass sie auch bloß ihren Job machten, aber er hatte keinerlei Respekt vor der Art, wie sie dies taten, und noch weniger Respekt vor den Leuten, die anscheinend unbedingt lesen wollten, was es zu berichten gab. In Wahrheit gab es nämlich nichts Lesenswertes über ihn zu berichten: ein Siebzehnjähriger, der etwas besser aussah als der Durchschnitt, gelegentlich ein hübsches Mädchen zum Essen ausführte, eine Rolle ganz anständig spielen konnte, der aber meistens mit seinem Schwein zu Hause saß und Bücher las.
Als er näher kam, hoben die Fotografen ihre Kameras und riefen seinen Namen. Er senkte den Kopf, als sie sich um ihn scharten. Es waren weniger als vorhin, nur vier oder fünf; die anderen waren offenbar so vernünftig, was zu essen oder im Hotel fernzusehen oder ihre Freundinnen anzurufen. Doch die übriggebliebenen knipsten wie verrückt, ihre Blitzlichter flackerten, während sie ihn mit immer dreisteren Fragen bombardierten.
»Wer ist die Kleine, Graham?«, fragte einer, ein richtiger Schrank mit Diamantstecker im Ohr und so blank rasiertem, bleichem Schädel, dass er das letzte Tageslicht zurückwarf. »Hast du sie gerade erst kennengelernt? Was hält Olivia davon? Seid ihr offiziell zusammen?«
Er ignorierte sie alle und drängte sich vorbei. An der Tür wurde er von einem stämmigen Mann mit mächtigen Armen und gepflegtem Vollbart empfangen.
»Joe Gabriele«, stellte er sich vor und streckte eine fleischige Hand aus. »Mir gehört der Laden. Hör mal, magst du Hummer?«
Graham nickte, überrascht von der Frage.
»Gut«, sagte Joe. »Du isst ordentlich Hummer, solange du hier bist, und ich halte dir diese Clowns vom Leib. Abgemacht?«
»Abgemacht«, sagte Graham und schaute an ihm vorbei, ob Ellie schon da war. An den Wänden des Restaurants hingen verwitterte Bojen und alte Schiffsuhren, Fischernetze und gerahmte Bilder von Schonern, Hummern, Walen. An einem Tisch in der Ecke, unter einem riesigen eisernen Anker, der offenbar von einem Fischkutter stammte, erkannte Graham ihren Hinterkopf, das dunkle Haar zu einem tief sitzenden Pferdeschwanz gebunden. Die Tische um sie herum waren leer, und er war Joe dankbar dafür, denn nichts war schlimmer, als ein Privatgespräch führen zu wollen, während aus allen Richtungen Handykameras klickten.
Joe wedelte mit der Hand in Richtung des Tisches, falls Graham noch nicht begriffen haben sollte, wo er hinmusste, und ging selbst in die Küche. Doch Graham blieb, wo er war, plötzlich von Unsicherheit gelähmt. Er war gar nicht unbedingt enttäuscht. Wie sollte er auch enttäuscht sein? Sie war zweifellos schön. Doch seit er nachmittags den Eisladen verlassen hatte, versuchte er sich darüber klar zu werden, was er sich von heute Abend erhoffte. Nach so langer Zeit und so vielen E-Mails, müsste er da nicht aufgeregter sein? Begeisterter? Oder jedenfalls … irgendwas?
Vielleicht lag es daran, dass er zu viele Drehbücher mit Happy End gelesen hatte. Vielleicht war er schon zu lange in Hollywood. Graham war noch nie richtig verliebt gewesen, darum hatte er keine Ahnung, was er erwarten sollte. Vielleicht war das ja schon alles: Man schreibt sich mit einem Mädchen, man unterhält sich lieber mit ihr als mit jedem anderen Menschen, dann steht man vor ihr, und sie sieht hinreißend aus, und man sollte sich einfach freuen.
Aber irgendwie hatte er doch mehr erwartet. Er hatte es sich ganz anders vorgestellt, wenn er daran dachte, dass er sie sah, dass ihre Blicke sich zum ersten Mal trafen. Er hatte gedacht, die Hollywood-Klischees hätten einen wahren Kern. Wenn man sich verliebte, sollte das doch unverkennbar sein, oder? So wie ein Schlag in die
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