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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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15:02
An:              [email protected]
Betreff:       Re: meine Vorstellung von Glück
Neue Leute kennenzulernen.

vier
    Am frühen Abend wurde das Licht vom Wasser golden zurückgeworfen. Graham ging einen Umweg zum Restaurant, über den Strand, wo er alle paar Schritte stehen blieb, einen Stein aufhob, ihn in der Hand wog und dann wieder fallen ließ. Den ganzen Tag schon hatte ihn der Geruch des Meeres gelockt.
    Ein sonnenverbranntes Touristenpaar mit Liegestühlen unter dem Arm kam ihm entgegen, doch keiner von beiden hob den Blick, worauf Graham freudig erschauerte. Als sein erster Film angelaufen war, war es genau umgekehrt gewesen: Jedes Mal, wenn ihn jemand in der Öffentlichkeit erkannt hatte, war es ihm wie ein Segen vorgekommen, so als würde er irgendwie geadelt – Graham Larkin war jetzt jemand. Aber jetzt schlug sein Herz schneller, wenn er nicht erkannt wurde – die kostbare Anonymität, die in letzter Zeit so selten geworden war.
    Beim Blick auf die Uhr wurde ihm klar, dass er fast schon zu spät war, doch anstatt wieder zur Straße hinaufzugehen, wandte er sich ganz dem Meer zu und betrachtete das Licht, das auf den Wellen tanzte. Am Horizont waren immer noch ein paar Boote zu sehen, Schattenrisse vor der Sonne, und plötzlich sehnte Graham sich danach, auch dort draußen zu sein.
    Eine Angeltour mit seinem Vater fiel ihm ein, da war er gerade acht gewesen, sie hatten in einem kleinen Ruderboot geschaukelt, bis zu den Ohren in orangefarbenen Rettungswesten eingepackt. Drei Tage lang hatten sie ihre Angeln ausgeworfen und nichts gefangen. Dad hatte sich dauernd entschuldigt, als wäre es sein Fehler, dass der See ihnen keinen Fang gönnte, und als der letzte Nachmittag sich dem Ende zuneigte, sah er bekümmert aus. Es war Dads Idee gewesen, dieser Ausflug. So einer, wie er ihn mit seinem eigenen Vater auch gemacht hatte, und seit Monaten hatte er Graham erzählt, was sie alles für Fische fangen würden.
    »Lachse?«, hatte Graham gefragt, und Dad hatte den Kopf geschüttelt.
    »Das wahrscheinlich nicht«, hatte er gesagt. »Die sind schwer aufzustöbern. Aber Forellen. Jede Menge Forellen. Wirst schon sehen.«
    Dad war so überzeugt von ihrem Angelglück gewesen, dass sie sonst nichts fürs Abendessen mitgenommen hatten und am vorigen Abend auf der Veranda ihrer Hütte Käsestangen und Trockenfleisch gegessen, Mücken verscheucht und dem Zirpen der Grillen gelauscht hatten. An diesem letzten Nachmittag waren sie kurz davor aufzugeben, als Graham der Gedanke kam, Trockenfleisch als Köder zu nehmen. Dad hatte sich mit leuchtenden Augen vorgebeugt, und das Boot hatte heftig geschaukelt.
    »Gar keine schlechte Idee«, hatte er gesagt und ein Stück abgerissen.
    Bei Graham biss zuerst einer an, eine Regenbogenforelle, die zuckte und schlug, als Dad ihm beim Einholen half. Danach war es ganz leicht. Dad fing drei weitere Forellen, und dann hatte Graham einen kleinen Karpfen an der Angel. Das Licht wurde schwächer, das Wasser um sie herum verdunkelte sich, aber weder Dad noch er wollten aufhören. Es war wie Zauberei, so als würde ihnen der Fang von drei Tagen, die Essenz eines ganzen Wochenendes in der letzten Stunde Tageslicht beschert.
    Als Graham noch ein letztes Zucken an seiner Angel spürte, hatte er sogar einen kleinen Lachs am Haken, der im Dämmerlicht silbrig glänzte.
    »Unglaublich«, sagte Dad grinsend. Er setzte sich auf die Ruderbank und hielt strahlend die leere Packung Trockenfleisch hoch. »Sieht aus, als könnte man mit dem falschen Köder die richtigen Fische fangen.«
    Daran musste Graham jetzt denken, als er die Fischerboote hinter sich ließ und zurück in den Ort ging. Vielleicht war es mit Ellie genauso: Er hatte seine E-Mails ausgeworfen und nach einer Forelle geangelt, aber stattdessen einen Lachs gefangen. Darüber musste er lächeln, auch wenn er vermutete, ein Mädchen wie Ellie würde nur ungern mit einem Fisch verglichen werden.
    Er strich sein Hemd glatt, als er an den Filmwohnwagen vorbeiging, die jetzt dunkel und still da standen. Sie hatten schon ein paar Szenen im Studio in L.A. gedreht, aber hier am Drehort herrschte gleich eine ganz andere Stimmung, eine gewisse Aufgeregtheit, vor allem an einem kleinen Ort wie diesem, und Graham konnte sich dem nicht entziehen. In den beiden letzten Jahren hatte er immer die gleiche Rolle mit den gleichen Kollegen gespielt, weshalb es ganz erfrischend war, mal was anderes zu tun. Ein neuer Regisseur,

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