Der Geschmack von Glück (German Edition)
zu stark wurde. Der hat sicher auch dich weggeweht. Wir werden heute Abend lange drehen, aber ich versuche, danach noch vorbeizukommen …
G
zwölf
Den ganzen Nachmittag wurde Graham von unterschwelliger Panik verfolgt, die jede Konzentration unmöglich machte. Während sie auf besseres Wetter warteten, gab er vor, das Drehbuch zu lesen, war aber mit den Gedanken ganz woanders. Der Wind rüttelte an den Wohnwagenwänden, er rieb sich die Augen und zwang sich, die Worte scharf zu stellen.
Es dauerte zwei Stunden, bis das Wetter sich änderte, der Wind sich legte, und als sie dann wieder hinausfuhren, war das ganze Team von einer neuen Dringlichkeit getrieben, man versuchte, die verlorene Zeit aufzuholen und das Beste aus dem letzten guten Licht zu machen. Graham spürte die Ungeduld der anderen, als er durch seine Zeilen holperte, über einzelne Worte stolperte, seine Positionen vergaß und noch nicht mal das Boot starten konnte, obwohl ihm ständig Anweisungen zugerufen wurden. Die See war immer noch kabbelig und schlug gegen die hölzernen Bootswände, und obwohl der Wind nachgelassen hatte, kämpften die Haarstylisten auf verlorenem Posten um Olivias elegant-lässigen Pferdeschwanz.
Graham stand breitbeinig am Bug, während sich Mick mit zwei Kameraleuten besprach und überlegte, ob sie ein zweites Mal abbrechen oder weitermachen und nehmen sollten, was sie kriegen konnten. Die Go Fish hob und senkte sich mit den blaugrauen Wellen, das Deck neigte sich abwechselnd zu beiden Seiten. Wenn es nach Grahams schauspielerischer Leistung ging, war er sich sicher, dass sie bald wieder einlaufen würden. Die Szene verlangte nackte Gefühle und hart erkämpfte Liebesschwüre, gequälte Blicke und erstickte Stimmen, doch diese Art von Leidenschaft konnte Graham im Moment einfach nicht aufbringen. Nicht heute, nicht für Olivia. Nicht nachdem er hatte ansehen müssen, wie Ellie vor ihm weggelaufen war.
Nach dem letzten Abend hätte er eigentlich immer noch schweben müssen. Als er sie küsste, hatte sich das angefühlt, als würde ein Streichholz angerissen und etwas strahlend Helles in seiner Brust entzündet, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass es dort bereit gelegen hatte.
Aber heute Morgen hatte er im Hafen ihr Gesicht gesehen, kurz bevor sie sich abwandte, und das hatte ihm den Atem geraubt. Er konnte ihr keinen Vorwurf machen: Er hätte gar nicht erst winken sollen. Denn gleich darauf spürte er die Aufmerksamkeit hinter sich hochkochen, und jede in ihrer Lage hätte angesichts einer derartigen Meute das Gleiche getan. Selbst aus der Entfernung hatte er ihre Miene so deutlich lesen können, als spräche sie die Worte laut aus: Es tut mir leid , hatte sie ihm gesagt.
Dann war sie weg.
Wahrscheinlich nur ein kurzer Moment der Panik. Wahrscheinlich reagierte er viel zu heftig, aber trotzdem wurde Graham das Gefühl nicht los, dass sie nicht bloß vor der Meute und den Kameras davongelaufen war.
Die Sonne war bereits hinter dem Kirchturm untergegangen, als sie zum zweiten Mal am Steg anlegten, aber der Drehtag war längst nicht vorbei. Auf dem Drehplan stand noch eine Abendszene vor einer Bar, und als Graham über die Straße zu seinem Wohnwagen ging, wurden schon die gewaltigen Scheinwerfer aufgebaut, eine kleine Lichtoase auf der ansonsten dämmrigen Straße.
Eine Produktionsassistentin rief vom anderen Ende der Wohnwagen nach ihm, aber er musste erst in zwanzig Minuten wieder am Set sein, also hielt er den Kopf gesenkt und zog beim Gehen sein Telefon aus der Tasche. Er scrollte mehrere Mails durch: von seinem Agenten und seiner PR-Frau, seinem Finanzverwalter und einem Mädchen, das er beim Sport in L.A. kennengelernt hatte. Immer noch kein Lebenszeichen von Ellie, und als er die Stufen zu seinem Wohnwagen hinaufsprang, wählte er ihre Nummer und lauschte dem Klingeln. Er überlegte schon, was er ihr auf die Mailbox sprechen würde, wenn sie nicht ranging – irgendwas Nettes, Fröhliches, um seine wachsende Sorge zu verbergen, weil sie immer noch nicht auf seine Mail geantwortet hatte –, doch als er die Tür öffnete, saß zu seiner Überraschung Harry an dem kleinen Tisch. Er ließ das Telefon sinken und unterbrach den Anruf hastig.
»Wer war das?«, fragte Harry und legte einen Stapel Zeitungen beiseite.
Graham antwortete nicht, sondern nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Mini-Kühlschrank und setzte sich seinem Manager gegenüber.
Harry setzte ein warnendes Lächeln auf. »Die
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