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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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der Oberfläche lag etwas ganz anderes: Graham und seine Probleme, Graham und seine komplizierten Gefühle für Ellie. Und noch viel mehr: sein Widerwille gegen Olivia, seine Genervtheit wegen Harry, die Enttäuschung über seine Eltern und seine Ungeduld, diese verdammte Szene endlich in den Kasten zu kriegen, damit er Ellie suchen konnte, das einzige Gegenmittel gegen alles andere, was sich in seinem Kopf drängte.
    Sie wurden schnell fertig mit dem Dreh. Diesmal lag es nicht am Wetter, nicht am Licht und ganz bestimmt nicht daran, dass Graham nicht die richtigen Gefühle hatte heraufbeschwören können. Nein, als sie Schluss machten, als eine Armee von Handlangern wie aus dem Nichts erschien, um den Set abzubauen, kam Mick zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Das war echt intensiv«, sagte er. »Meinst du, wir könnten so was morgen wieder zu sehen kriegen?«
    Graham lachte rau. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Doch in Wirklichkeit dachte er, dass er genau das Gegenteil wollte. Er wollte Ruhe. Er wollte Ellie.
    Auf dem Weg zu ihrem Haus legte er den Kopf in den Nacken und schaute zu den Sternen hinauf, die am Set von den Scheinwerfern ausgelöscht worden waren. Jetzt aber waren sie dicht wie Sand über den dunkelblauen Himmel gestreut, und Graham musste an die Kiste im Keller seines Elternhauses denken, in der sein Vater ein antiquiertes Teleskop aufbewahrte. Das Holz war mit feinen Schnitzereien verziert, kleine Sonnen und Monde, und als Kind hatte Graham es unbedingt nach oben schleppen und damit aus dem Fenster schauen wollen, um die Sterne mit den gerundeten Glasscheiben einzufangen. Doch er bekam es nur einmal im Jahr zu sehen, wenn sein Vater ein weiches Tuch auf den Esstisch legte und das Teleskop so vorsichtig anhob wie ein rohes Ei.
    »Können wir es ausprobieren?«, fragte Graham jedes Mal, wenn er sich über den Tisch beugte, wo sein Vater mit dem gleichen samtigen Tuch das Holz polierte und die Linsen säuberte.
    »Es ist zu wertvoll«, sagte sein Vater dann. »Es soll ja schließlich nicht kaputtgehen.«
    Es ging auch nicht kaputt, aber es wurde eben auch nie benutzt. Soweit Graham wusste, lag es immer noch im staubigen Keller, und inzwischen kam ihm das, was er sich immer als vernünftig schöngeredet hatte, wie eine kolossale Verschwendung vor.
    Den Weg zu Ellies Einfahrt hinunter lief er schon fast. In der Küche brannte Licht, und auf den Verandastufen zwang er sich, langsamer zu werden und tief Luft zu holen. An der Tür hob er die Hand, doch er merkte, dass er nicht anklopfen konnte.
    Er lief vom einen Ende der Veranda zum anderen, dann wieder zurück, wusste nicht, was mit ihm los war. Plötzlich war er wie gelähmt. Er blieb vor der Klingel stehen, wandte sich wieder ab, sank auf der hölzernen Verandaschaukel zusammen, stützte die Ellbogen auf die Knie und das Gesicht in die Hände. Was war bloß los mit ihm? So unsicher wegen eines Mädchens war er in seinem ganzen Leben noch nie gewesen, nicht mal in seinem alten Leben.
    Er saß immer noch so da – gebeugt und elend, unfähig anzuklopfen –, als er von drinnen Schritte hörte und sein Magen sich verkrampfte. Doch als die Tür aufging, war es Ellies Mutter, die nach draußen trat. Sie zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts, und Graham stand auf.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte er. »Ich wollte gerade anklopfen.«
    Ein Mundwinkel hob sich zu einem leicht spöttischen Lächeln, das er ganz ähnlich auch bei Ellie schon gesehen hatte. »Das habe ich mir schon vor zehn Minuten gedacht«, sagte sie. »Ich wollte die Sache mal in Gang bringen.«
    Er räusperte sich. »Ist Ellie zu Hause?«
    »Ja«, sagte sie. »Aber es ist schon spät.«
    Graham wusste, das war sein Stichwort zum Aufbruch, und Ärger durchzuckte ihn. Er drückte die Schultern durch. Er wollte nicht gehen. Noch nicht. »Wäre es möglich, sie nur eine Minute zu sehen?«
    »Ich glaube nicht«, sagte sie, und zu seiner Überraschung spiegelte sich echtes Mitgefühl in ihrem Gesicht. Er brauchte einen Moment, die Bedeutung dieses Blicks zu erfassen.
    Mrs O’Neill versperrte ihm gar nicht den Weg. Nicht sie sagte Nein.
    Sondern Ellie.
    Diese Erkenntnis ließ ihn wie betäubt schweigen, und es gelang ihm beim besten Willen nicht, die naheliegenden Fragen zu stellen: Wieso nicht? oder Was ist passiert? oder, die schlimmste von allen, Was habe ich falsch gemacht? . Stattdessen richtete er den Blick auf die unebenen Bretter der Veranda.
    »Du hast heute

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