Der Geschmack von Glück (German Edition)
angespannt, und Graham zwang sich zu einem Lächeln – ein Schauspielerlächeln, schwach und angestrengt, das erlosch, als sie seine Hand nahm.
»Hey.« Er hielt sie kurz fest, das Gesicht grimmig entschlossen. »Ich tue, was ich kann, um das wieder hinzubiegen, okay?«
Sie nickte und versuchte, überzeugt zu wirken; dann drehte sie sich um und ging die Auffahrt hinauf. Auf der Veranda ließ sie sich gegen die Tür fallen und holte ein paar Mal tief Luft, ehe sie den Knauf drehte. Drinnen hörte sie ihre Mutter in der Küche, doch sie wusste, wenn sie jetzt mit ihr redete, würde sie zusammenbrechen und heulen, und dazu war sie noch nicht bereit – zu den Erklärungen und Geständnissen, den schwerwiegenden Folgen des Abends –, also rief sie nur mit belegter Stimme Hallo und rannte die Treppe hinauf.
In ihrem Zimmer schnappte sie sich den Computer, setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und gab Grahams Namen in die Suchmaschine ein. Die jüngsten Einträge waren ein Foto von ihm und Olivia vor dem Sandwichladen heute Mittag und ein paar Artikel, die über seine mögliche Beteiligung an einem neuen Film spekulierten, aber noch nichts über einen Fotografen mit blauem Auge oder ein mysteriöses rothaariges Mädchen, dessen abwesender Vater womöglich eines Tages für das Weiße Haus kandidieren könnte.
So verbrachte sie den Rest der Nacht, teilte ihrer Mutter durch die geschlossene Tür mit, sie habe keinen Hunger, und lud die Suche so oft neu, dass ihr die Buchstaben vor den Augen verschwammen, zusammenhanglos wurden.
Sie hatte keine Ahnung, wann sie eingeschlafen war, doch als sie aufwachte, war es immer noch dunkel draußen. Sie tastete nach ihrem Telefon, es war kurz nach fünf. Die Erinnerung an den vorigen Abend schwappte über sie, und schwindelig vor Sorge griff sie nach ihrem Laptop.
Diesmal fand sie etwas. Alles. Das Herz wurde ihr schwer, als sie die Schlagzeilen durchging: Grahams Hammer ; Larkins Haken ; Graham geht in die Luft . Einen Artikel nach dem anderen scrollte sie durch und fragte sich, ob Graham sie wohl gelesen hatte. Die ersten waren schon gestern Abend um elf gepostet worden, wahrscheinlich kurz nachdem sie eingeschlafen war, und einige waren mit einem Foto von Graham illustriert, kurz bevor er zuschlug, den Ellbogen zurückgezogen wie ein Bogenschütze, die Miene finster. Im Hintergrund entdeckte Ellie ihr Handtuch auf dem Boden und dahinter wiederum ein Stückchen ihrer selbst: ein blasser Arm, ein paar Strähnen rötlichen Haars.
Sie hatten offenbar noch nichts Berichtenswertes über sie herausgefunden, auch wenn jeder Artikel eine »unbekannte Begleiterin« erwähnte. Das schien für den Augenblick alles, aber Ellie wusste, das war kein Grund zur Erleichterung. Sie begriff auf einmal, welches Ausmaß das annehmen konnte, und Sorge um Graham durchfuhr sie. Einige Artikel sprachen von möglichen Gerichtsprozessen, andere stellten ihn bloß noch als unbeherrschten Schläger dar, wie ein bisher schlafendes Ungeheuer, das endlich geweckt worden war. Selbst wenn er nicht verklagt wurde, konnte das seinem Image, seiner Karriere, seinem neuen Film ungeheuren Schaden zufügen, und sie wünschte, sie könnte ihn irgendwie verteidigen – erklären, was geschehen war und dass jeder in seiner Lage wohl das Gleiche getan hätte.
Doch sie wusste, das konnte sie nicht. Und es würde auch nicht mehr lange dauern, bis irgendjemand die richtigen Verbindungen zog und sie identifizierte; ein Tourist, der sie zusammen gesehen hatte, ein Einheimischer, der ein paar Dollar verdienen wollte, ein Reporter, der die richtigen Fragen stellte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Rest der Geschichte ans Licht käme.
Sie überlegte, ob sie ihr Postfach öffnen und schauen sollte, ob Graham geschrieben hatte, entschied sich aber dagegen. Sie wusste nicht, ob sie seine Worte würde ertragen können oder, noch schlimmer, ob er vielleicht gar nicht geschrieben hatte. Stattdessen nahm sie die Hände von der Tastatur und schaute aus dem Fenster, wo am Horizont ein Lichtstreif erschienen war, durchschnitten von dunklen Ästen.
Heute war der vierte Juli, fiel ihr ein, der Tag, an dem sie ihren Vater treffen wollte. Jetzt hielt sie es nicht mehr für eine so gute Idee. Wenn sie nun in der Zwischenzeit ihren Namen herausfinden würden, diese anonymen Blogger und Journalisten? Wenn sie dann vor seiner Tür stand und entdeckte, dass er die Neuigkeiten schon gehört hatte? Dass er wütend auf sie war, weil
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