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Der Geschmack von Glück (German Edition)

Der Geschmack von Glück (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer E. Smith
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dauernd, und die kämen gar nicht darauf, ein schlechtes Gewissen zu haben wegen des Schlamassels, das ihr Manager aufräumen musste, oder gar wegen des Typen, dem sie eine verpasst hatten. Er war sich sicher, dass die Situation gestern gar nicht anders hätte enden können, aber Graham hatte noch nie jemanden mit der Faust geschlagen, und das Geräusch – das hörbare Knirschen von Knochen auf Knochen – klang ihm immer noch in den Ohren.
    Er hielt den Eiskübel unter dem Arm wie einen Football und trabte den Korridor entlang. Bei den Eismaschinen sah er zu, wie die Eiswürfel geräuschvoll hineinpurzelten, dann steckte er die ganze Faust dazwischen und zuckte vor Kälte zusammen.
    Als er wieder in sein Zimmer kam, beugte Harry sich über den Computer. Das Telefon neben ihm war auf Lautsprecher gestellt, und Graham hörte die vertraute Stimme seiner Pressefrau Rachel, die ein paar neue Fundstellen herunterratterte.
    »Die bringen es alle?«, fragte Harry mit gepresster Stimme.
    »Innerhalb der nächsten Stunde«, sagte Rachel. »Die kaputte Kamera war auch nicht gerade hilfreich.«
    »Tut mir leid«, sagte Graham und ließ sich auf eins der Betten fallen. Er hörte fast, wie sich ihre ganze Haltung änderte.
    »Hallo, Schätzchen«, sagte sie. »Wusste nicht, dass du auch da bist.«
    »Doch«, sagte Graham. »Ich bin hier.«
    »Was war denn los?«, fragte sie mit erzwungener Leichtigkeit. »Du bist doch eigentlich mein leichtester Klient.«
    Graham sah wohl nicht so aus, als könne er darauf antworten, darum sagte Harry schnell: »Wir rufen dich zurück, Rachel, okay? Halt uns auf dem Laufenden.«
    »Okay«, sagte sie und ehe sie auflegte: »Versuch dich aus allem Ärger rauszuhalten.«
    Danach schaute Harry Graham an. »Du siehst furchtbar aus. Vielleicht solltest du mal duschen. Die Nacht wird lang.«
    Hinterher zog Graham wieder die sandigen Shorts vom Strand und dasselbe gestreifte Polohemd an, das noch nach Salz und Meer roch. Als er aus dem Bad kam, telefonierte Harry schon wieder, und Graham ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Mit schweren Lidern lauschte er der einen Hälfte des Dialogs. Trotz des Geräuschpegels – Harrys lauter und wieder leiser werdender Stimme, des unablässigen Surrens des Computers – fiel er bald in einen traumlosen Schlaf.
    Als er aufwachte, war es immer noch dunkel draußen, Harry hatte den Laptop auf den Knien, der Bildschirm erhellte sein Gesicht. Graham wollte überhaupt nicht sehen, was er dort anschaute, was im Lauf der Nacht ans Licht gezerrt worden war. Es war ihm egal, was sie über ihn sagten; er sorgte sich nur um Ellie.
    »Gibt’s was?« Er richtete sich auf, rieb sich die Augen; Harry zuckte zusammen und sah ihn mit trübem Blick an.
    »Über dich?«, fragte er zurück. »Jede Menge. Willst du’s sehen?«
    Graham schüttelte den Kopf. »Und über sie?«
    »Immer noch nichts.« Harry lächelte müde.
    Erleichterung durchströmte Graham. »Du bist unglaublich.«
    »Dafür zahlst du mir ja die dicke Kohle.«
    »Ganz genau«, sagte Graham, schlüpfte ins Bad und stellte sich ans Waschbecken. Seine Augen im Spiegel waren trübe und rot gerändert, mit dem Bartschatten ums Kinn sah er tatsächlich leicht bedrohlich aus, wie ein Kerl, der Fotografen bewusstlos schlug. Plötzlich musste er dringend an die Luft.
    »Was dagegen, wenn ich kurz spazieren gehe?«, fragte er, als er ins Zimmer zurückging und sich sein Kapuzenshirt griff. Harry schüttelte den Kopf, ohne aufzusehen.
    »Nein, nein«, sagte er. »Im Augenblick habe ich die Sache unter Kontrolle.«
    »Toll«, sagte Graham. »Ich bleibe nicht lange weg.«
    Er zog mit leisem Klick die Tür hinter sich zu, eilte den Korridor entlang zum Aufzug, rannte blind durchs Foyer und hinaus in die erwachende Welt unter einem orange gestreiften Himmel, in die Kühle des Morgens, wo er auf dem Bürgersteig stehen blieb und einen tiefen Atemzug nahm, um sein pochendes Herz zu beruhigen.
    Das Hotel lag am hinteren Ende des Grüns und blickte von einer kleinen Erhebung über Geschäfte und Hafen. Zu Grahams Überraschung war die Stadt schon erwacht. Er wusste zwar, dass die Festivitäten früh anfingen – vom Frühstück bis in die Abendstunden, mit dem Feuerwerk als großem Höhepunkt –, doch um diese Zeit hatte er höchstens mit ein paar Fischern und ein, zwei Joggern gerechnet. Aber überall waren Leute: Manche stellten in der Nähe des Laubengangs Tische auf, andere luden Kisten aus ihren Autos. Ein paar Kinder mit

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