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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Amerika», und war erstaunt über die scharfe Antwort, die er von Mrs. Harris bekam.
    «Tun Sie, was ich Ihnen sage, und reden Sie kein dummes Zeug», sagte sie, denn auch sie wurde von neuem nervös, da sich der Augenblick nahte, in dem Träume, die so leicht zu verwirklichen zu sein scheinen, in die Tat umgesetzt werden sollen, was sehr oft nicht so einfach ist.
    Das Taxi hielt vor dem Laden. Warbles stand davor und riß für eine Kundin das Kraut von Karotten ab.
    «Ausgerechnet muß der draußen stehen», sagte Mrs. Harris und fügte ein recht derbes Wort hinzu. Aber gerade da wurde der Gemüsehändler von drinnen gerufen und eilte hinein.
    «Jetzt», sagte Mrs. Harris gebieterisch zu Mrs. Butterfield, die schon ängstlich durch das Hinterfenster spähte. «Siehst du jemanden?»
    «Ich weiß nicht», stotterte Mrs. Butterfield. «Ich glaube nicht. Jedenfalls niemanden, den wir kennen.»
    Mrs. Harris beugte sich zu der Öffnung in der Scheibe vor und flüsterte in das rote Ohr: «Hupen Sie dreimal!» Der Fahrer, der sich keinen Reim darauf machen konnte, gehorchte eingeschüchtert. Hinter einem Stapel von Kisten mit Kohl tauchte die Gestalt eines kleinen dunkelhaarigen Jungen auf, der, weder nach rechts noch nach links blickend, auf die Tür des Wagens zulief, die Mrs. Harris für ihn aufhielt. Mit der Flinkheit und Geschicklichkeit eines Wiesels kroch der Junge unter die in dem Taxi auf getürmten Koffer und war verschwunden.
    Die Tür wurde laut zugeschlagen. «Waterloo», zischte Mrs. Harris in das Ohr.
    «Na, so was», sagte der Chauffeur zu sich selbst und gab Gas. Daß die beiden respektablen Putzfrauen, die sich soeben von einer respektablen Nachbarschaft verabschiedet hatten, um nach Amerika zu fahren, vielleicht Kidnapperinnen waren, dieser Gedanke kam ihm nicht.

7

    Es ist eine Tatsache, daß nichts so beachtet wird wie ein Kind, das beachtet werden will, aber ebenso stimmt das Gegenteil, daß nichts so unsichtbar ist wie ein Kind, das sich unsichtbar machen möchte, und das besonders, wenn es das in einer großen Menschenmenge tim kann.
    Dies war eine Methode, die Mrs. Harris und auch dem kleinen Henry wohlbekannt war. Und so war es für Mrs. Harris nicht schwierig, als die Schreibers ihnen auf dem überfüllten Bahnsteig entgegenkamen, was Mrs. Butterfield einen kleinen Entsetzensschrei entlockte, Henry verschwinden zu lassen. Sie gab ihm einen leichten Klaps auf den Hintern, was das verabredete Zeichen war, und sofort entfernte er sich und stellte sich neben jemand anders. Da die Schreibers ihn noch nie gesehen hatten, sahen sie in ihm nichts anderes als das Kind irgendeines Reisenden, das, neben einem Gepäckstück stehend, in den Himmel starrte und anscheinend sich selbst ein Lied sang.
    «Ach, da sind Sie ja», sagte Mrs. Schreiber ganz außer Atem. «Ist alles in Ordnung? Nun, das wird es schon sein. Haben Sie schon einmal so viele Leute gesehen? Ich habe Ihnen doch wohl Ihre Fahrkarten gegeben? Ach, lieber Gott, es macht mich alles ganz konfus!»
    Mrs. Harris versuchte, ihre Herrin zu beruhigen. «Machen Sie sich nur keine Sorgen», sagte sie. «Es ist alles klar. Die Sache wird wie am Schnürchen gehen. Ich habe ja Violet bei mir, die sich meiner annimmt.» Mrs. Butterfield, die jetzt noch mehr schwitzte und sich noch mehr fächelte, entging die Ironie dieser Bemerkung. Es war ihr, als müßten die Schreibers fragen: , obwohl er im Augenblick gar nicht da war.
    «Sie hat vollkommen recht, Henrietta», sagte Mr. Schreiber. «Du vergißt, daß Mrs. Harris ganz allein nach Paris geflogen und dort eine Woche geblieben ist.»
    «Ja, gewiß», stammelte Mrs. Schreiber. «Ich fürchte, Sie werden uns auf dem Schiff nicht besuchen dürfen.» Sie wurde plötzlich dunkelrot, weil sie damit auf den Klassenunterschied angespielt hatte, der unamerikanisch und undemokratisch war, und fügte rasch hinzu: «Sie wissen ja, daß sie nie jemandem gestatten, von einem Teil des Schiffes zu einem anderen zu gehen. Ich meine, wenn Sie dort etwas brauchen, können Sie uns natürlich eine Nachricht schicken... Ach, lieber Gott...»
    Mr. Schreiber befreite seine Frau aus ihrer Verlegenheit mit den Worten: «Natürlich, natürlich. Es wird Ihnen an nichts fehlen. Komm, Henrietta, es ist besser, wir setzen uns wieder in unser Abteil.»
    Mrs. Harris wünschte ihnen zum Abschied Hals- und Beinbruch, und als die Schreibers gegangen waren, kam fast unmerklich der kleine Henry

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