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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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bemühter und behandelte die beiden Damen mit der Ehrerbietung, die man einer Königlichen Hoheit schuldet, befestigte ihre Kisten und Koffer und spielte vor der zum Abschied versammelten Menge seine Rolle mit einem feinen Sinn für Dramatik.
    Mrs. Harris nahm all die ihr erwiesene Ehrerbietung und das Interesse und die Erregung der Freunde und Nachbarn anmutig hin, rief ihnen liebevolle Abschiedsworte zu und gab zugleich dem Taxifahrer die strenge Anweisung, mit diesem oder jenem Gepäckstück besonders behutsam umzugehen, aber die arme Mrs. Butterfield vermochte nicht viel mehr zu tun als zu zittern, zu schwitzen und sich zu fächeln, da sie unentwegt daran denken mußte, was für ein schreckliches Verbrechen zu begehen sie im Begriff waren und was ihnen in der nächsten Zukunft drohte oder ob das, was sie vorhatten, gelingen würde.



...ist eine prächtige Methode, um Geld zu sparen. Sie kann sich neben den besten Schottentricks sehen lassen, ja sie ist sogar dem berühmten Koffertrick wegen des geringeren Risikos vorzuziehen. Sie kennen den doch? Also: MacNobody fährt in Glasgow mit dem Bus, hält seinen Koffer zur offenen Plattform hinaus. Als der Schaffner kommt, will MacNobody für den Koffer nicht bezahlen: der befindet sich ja nicht im Inneren. Heftiger Wortwechsel. Der Bus fährt über die King’s Bridge, der Schaffner schlägt dem Fahrgast auf den Arm, der Koffer fällt in die Clyde. Da schreit MacNobody empört: «Mörder! Da war mein Bruder drin!»

    Man sollte eben beim Sparen die möglichen Risiken abwägen.

Das Benehmen der Gussets verriet ihren Neid und zeigte zugleich schamlos, wie froh sie waren, die beiden loszuwerden. Unter anderem bedeutete für sie die Abreise der beiden Frauen eine Zeit, in der sie das ihrer Pflege anvertraute Kind ungestört mißhandeln konnten.
    Zum großen Teil war es auch wirklich Mrs. Harris gewesen, die ihre Grausamkeit in Grenzen gehalten hatte, denn sie fürchteten sie ein wenig und wußten, daß sie nicht zögern würde, ihnen die Polizei auf den Hals zu hetzen, wenn sie es zu arg trieben. Jetzt, da zwei Augen- und Ohrenpaare nichts mehr von ihrem Treiben sehen und hören konnten, brauchten sie sich keinen Zwang mehr anzutun. Die Gussetkinder erwartete eine herrliche Zeit. Und wenn dem Mann eines seiner anrüchigen Geschäfte in Soho schiefging und der kleine Henry ihm zufällig in die Finger fiel, konnte er seiner üblen Stimmung freien Lauf lassen. Das Kind würde nichts zu lachen haben, und Freude über die Abreise seiner beiden Gönnerinnen spiegelte sich in allen Gesichtern der Gussets — Mutter, Vater und Kinder.
    Endlich war der letzte Koffer verstaut und befestigt; der Fahrer hatte sich hinter sein Steuerrad gesetzt und ließ den Motor an. Die schwitzende Mrs. Butterfield und die strahlende Mrs. Harris zwängten sich in das Taxi, jede einen kleinen Blumenstrauß, der mit einem silbernen Band zusammengebunden war, an sich pressend, den ihnen im letzten Augenblick Freunde in die Hand gedrückt hatten, und unter Rufen wie «Viel Glück!» — «Seien Sie vorsichtig!» — «Schicken Sie uns eine Postkarte!» — «Vergessen Sie nicht zurückzukommen!» — «Grüßen Sie den Broadway von mir!» — «Vergessen Sie nicht zu schreiben!» und «Gott sei mit Ihnen!» fuhren sie davon.
    Das Auto beschleunigte sein Tempo. Mrs. Butterfield und Mrs. Harris drehten sich noch einmal um und sahen durch das Hinterfenster ihre Freunde immer noch winken und ihnen nachblicken, während einige der Gussetkinder ihnen eine lange Nase machten.
    «Ach, Ada», stammelte Mrs. Butterfield, «ich habe solche Angst. Wir sollten es nicht tun. Was wird, wenn...?» Aber Mrs. Harris, die während der Abfahrt selber beträchtlich nervös gewesen war und ein bißchen Theater gespielt hatte, übernahm jetzt das Kommando und riß sich zusammen. «Sei still, Vi», befahl sie. «Es wird alles gut gehen. Doch, Gott strafe mich, Liebe, ich habe nur die eine Sorge, daß du uns alles verpatzen wirst. Denke vor allem daran, wenn wir dorthin kommen, daß du aus dem Hinterfenster sehen mußt.»
    Während sie das sagte, klopfte sie mit einem Penny an die Scheibe hinter dem Fahrer, und als dieser sein großes Ohr an die Öffnung hielt, sagte sie: «Fahren Sie um die Ecke über den Gifford Platz in die Hansbury Street. Dort an der Ecke ist ein Gemüseladen... Der Besitzer heißt Warbles.»
    Der Taxifahrer wählte einen schlechten Augenblick, um zu scherzen: «Ich dachte, meine Damen, Sie führen nach

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