Der geschmuggelte Henry
weil er das Kind geschlagen, setzte sich Kentucky rittlings auf einen Stuhl und blickte alle mit seinen kleinen bösen Augen argwöhnisch an.
«Ihr richtiger Name ist George Brown», sagte Mr. Schreiber, «und Sie haben Ihren Militärdienst von 1949 bis 1952 bei der amerikanischen Luftwaffe abgeleistet.»
«Na und?» erwiderte Kentucky.
Mr. Schreiber, der das alles sehr zu genießen schien — es ergötzte ihn geradezu, den Detektiv und den Richter zu spielen fuhr fort: «Am 14. April haben Sie in Tuynbridge Wells, als Sie noch bei der Luftwaffe waren, eine Miss Pansy Cott geheiratet, und etwa fünf Monate später ist Ihnen ein Sohn geboren worden, der Henry getauft worden ist.»
«Was?» schrie Kentucky. «Mann, sind Sie verrückt? Da irren Sie sich aber gewaltig. Ich habe von diesen Leuten nie etwas gehört.»
Mrs. Harris war es, als spiele sie in einem Fernsehspiel mit und gleich werde das Stichwort für ihren Text fallen, den sie in Erwartung dieser Szene schon geprobt hatte und den sie für sehr wirksam hielt: Er lautete etwa so:
Während Mrs. Harris diese Worte memorierte, weil sie immer noch in ihrem Traum lebte, zog Mr. Schreiber die Papiere auf seinem Schreibtisch aus einem Umschlag, und Kentucky blickte, durch das Rascheln aufmerksam geworden, hinüber und sah die Fotokopie seiner Luftwaffenakte und außerdem sein Foto. Ihm wurde heiß und kalt dabei. «Ihre Nummer bei der Luftwaffe war AF 28636794, und das entspricht genau der auf Ihr Handgelenk tätowierten», sagte Mr. Schreiber. «Ich habe hier auch Ihren Entlassungsschein und Ihre Heiratsurkunde und die Geburtsurkunde Ihres Sohnes.»
Kentucky starrte Mr. Schreiber an und antwortete: «Na, und wenn schon! Wen geht das was an? Ich bin von der Frau geschieden - sie war eine elende Hure—, die Scheidung ist nach den Gesetzen des Staates Alabama ausgesprochen worden, und ich besitze die entsprechenden Papiere. Was soll das also?»
Mr. Schreiber ließ dennoch nicht locker, sondern fuhr in seinem Verhör unerbittlich fort: «Und der Junge? Haben Sie eine Ahnung, wo er ist oder was aus ihm geworden ist?.»
«Das geht Sie einen Dreck an. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten», fauchte Kentucky. «Ich habe einen Vertrag unterschrieben, um für Ihre lausige Firma zu singen, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, mir persönliche Fragen zu stellen. Ich bin legal von der Frau geschieden und habe zum Unterhalt des Kindes beigetragen. Das letzte, was ich von ihm gehört habe, war, daß seine Mutter sich um ihn kümmert und daß es ihm sehr gut geht.»
Mr. Schreiber legte die Papiere hin und sagte, zu Mrs. Harris gewandt: «Jetzt erzählen Sie ihm mal alles.»
Mrs. Harris, die so überraschend das Stichwort bekam, das so ganz anders war als das von ihr erwartete, vergaß völlig ihren Text und platzte heraus: «Das ist eine Lüge! Er ist hier — das ist er, der hier rechts neben mir sitzt.»
Kentucky sperrte den Mund weit auf, starrte die drei mit dem Kind in der Mitte an und brüllte: «Was? Dieser kleine Bastard?»
Und schon sprang Mrs. Harris auf, bereit, ihn zu schlagen, und ihre blauen Augen loderten vor Wut. «Er ist kein kleiner Bastard!» rief sie. «Er ist Ihr Fleisch und Blut, Ihr eheliches Kind, wie es in diesen Papieren steht, und ich habe ihn den weiten Weg von London hierhergebracht.»
Ein Schweigen folgte, währenddessen der Vater den Sohn und der Sohn den Vater ansah, und in beiden Gesichtern spiegelte sich nichts als Abneigung. «Wer, zum Teufel, hat Sie darum gebeten?» schnarrte Kentucky.
Wie es geschah, hätte Mrs. Harris nicht sagen können, aber plötzlich sah sie, die Samariterin und gute Fee, sich in die Defensive gedrängt. «Niemand hat mich darum gebeten», erwiderte sie. «Ich habe es aus freien Stücken getan. Der kleine Kerl wurde von den scheußlichen Gussets geschlagen und verhungerte fast. Wir konnten
Weitere Kostenlose Bücher