Der gestohlene Abend
und andere Rassen, sofern sie weiß waren, umfassen konnte. Überhaupt sei die Hautfarbe ein bedeutendes Kriterium bei der Bestimmung der arischen Ethnie. Ich griff zu Papier und Bleistift, als ich die Schlussfolgerung des Wissenschaftlers las:
In Erwartung, dass eine Verbindung Deutschlands, Frankreichs und Italiens es ermöglicht, gemeinsam antisemitische und gegen exotische Elemente gerichtete Maßnahmen zu ergreifen, lässt sich die Lösung des ethno-rassischen Problems für Frankreich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Anerkennung der Existenz eines ethno-rassischen Problems als Grundlage für die Schaffung eines neuen Frankreichs
2.Anerkennung der Gleichwertigkeit der drei Rassen, welche die arische Ethnie bilden
3.Anerkennung der Tatsache, dass innerhalb der drei gleichwertigen Rassen (und ihrer Unterrassen) die Nordrassen eine herausragende Rolle spielen
4.Anerkennung der Minderwertigkeit, welche fremde Elemente in der arischen Ethnie verursacht haben
5.Notwendigkeit der Ausmerzung und Beseitigung dieser Elemente auf dem französischen Hoheitsgebiet, soweit dies noch möglich ist.
Ich blätterte wieder zum Anfang zurück und konzentrierte mich jetzt auf die Leitartikel, in denen die Seele dieser Publikation am deutlichsten zutage trat. Am 24. April hatte ein nicht genannter Journalist einen Herrn Hans Reiter, Präsident des Amtes für Volksgesundheit, interviewt. Ich notierte mir nur einen Satz aus der Einleitung: Der Nationalsozialismus ist eine tiefgreifende spirituelle Erneuerung, die in der Geschichte einen wichtigeren Platz einnehmen wird als die Reformation und die französische Revolution.
Ein paar Tage später schrieb ein Journalist namens Leon van Huffei, dass es eine europäische Lösung der Judenfrage geben müsse: Man sieht sofort, sobald man sich die Frage in ihrer ganzen Ernsthaftigkeit stellt, dass es im Hinblick auf das Judenproblem keine gemäßigte Lösung geben kann. Es geht darum, ein fremdes Element aus dem europäischen Volkskörper auszumerzen, das seine moralische und physische Gesundheit bedroht. Keine der bisher angewandten Methoden hat sich als wirksam erwiesen. Not tut eine gesunde, antisemitische Politik. Nur eine europäische Lösung der Judenfrage kann dem Problem gerecht werden.
Ich lehnte mich zurück, nahm die Liste von Davids Bestellungen zur Hand, die ich gestern ausgedruckt hatte, und betrachtete sie genauer. Wonach hatte er gesucht? Nach Material für Marians Konferenz über Sprache in der Diktatur? Oder nach Artikeln von diesem Hendrik De Vander? Hatte er für diese Zeitung geschrieben? War er überhaupt mit Jacques De Vander verwandt? Und wenn tatsächlich jemand aus Jacques De Vanders Familie mit Hitlerdeutschland sympathisiert hatte, dann warf das vielleicht ein schiefes Licht auf De Vanders Herkunft. Aber daraus Rückschlüsse auf Jacques De Vanders damalige Gesinnung zu ziehen schloss sich doch von selbst aus. So unprofessionell konnte David nicht gewesen sein. Wonach aber hatte David den Soir Vole dann so akribisch durchforstet? Konnte ich anhand seiner Bestellungen ein Muster finden, das es mir gestatten würde, zu rekonstruieren, wie er vorgegangen war? Ich trug alle Bestellungen in eine improvisierte Tabelle ein. Manche Bände hatte er nur einmal, andere über mehrere Tage hinweg mehrmals bestellt. Hatte er gesichtet und später Kopien gemacht? Ich ging zur Buchausgabe und klingelte. Ein älterer Herr erschien. Ich erklärte ihm, dass ich am Tisch 09 arbeitete und weitere Bände des Soir bestellen wollte. Zwanzig Minuten später erhielt ich die Jahrgänge, mit denen David die meiste Zeit verbracht hatte, auf einem Rollwagen, den der Bibliothekar neben mir abstellte. Ich wuchtete einen der vier unhandlichen Bände auf meinen Tisch, schlug ihn auf gut Glück im ersten Drittel auf und begann, die Seiten querzu-lesen. Es waren Sonderausgaben des Soir, Beilagen mit Artikeln über Mode und Kultur sowie zu allgemeinen geistigen Fragen der Zeit. Die Beiträge waren gekennzeichnet, aber ich kannte keinen der Namen. Die gemeldeten Ereignisse, die Fotos, die Reklame, das war alles kaum interessant. Aber plötzlich hatte ich eine Kolumne vor Augen. Der Titel lautete:
L'actualite litteraire Flämische Broschüren über das III. Reich
Aufgrund der jahrelangen Gehirnwäsche durch französische und englische Propaganda weiß der belgische Leser nichts über die politischen und sozialen Fortschritte, die in Deutschland gemacht worden sind.
Ich hielt inne, den Blick
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