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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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beruhigende Feststellung sei.
    Dass sie in einem so repräsentativen Bereich der Kultur, wie die Literatur es ist, fähig waren, sich vor dem jüdischen Einfluss zu schützen, beweist ihre Lebenskraft. Es bliebe für die Zukunft unserer Zivilisation wenig zu hoffen, wenn sie der Invasion einer fremden Macht ohne Widerstand nachgegeben hätte. Indem die Literatur trotz der semitischen Einflüsse in allen Bereichen des europäischen Lebens ihren Ursprung und ihr Wesen bewahrt hat, hat sie bewiesen, dass sie in ihrem Kern gesund ist.
    Er war es nicht. Es konnte nicht sein. Ausgeschlossen, dass diese Sätze von jenem Jacques De Vander stammten, dessen Philosphie ich studierte und bewunderte.
    Man sieht außerdem, dass eine Lösung des Judenproblems durch die Schaffung einer jüdischen Kolonie außerhalb Europas keine bedauerlichen Folgen für das literarische Leben des Westens hätte. Es verlöre im Großen und Ganzen nur ein paar Persönlichkeiten von mäßigem Wert und würde sich, wie schon in der Vergangenheit, nach den höchsten Gesetzen der Evolution weiterentwickeln.
    Ein Namensvetter. Das war die einzige Erklärung. Ich musste fast lachen. Doch sofort hörte ich ein anderes Lachen in meiner Erinnerung: Davids Kichern beim Betrachten der Videomitschnitte aus Yale.
    Ich erhob mich, klappte den schweren Band zu und schaute mich um. Drei Tische hinter mir saß eine junge Frau an einem Tisch und schrieb. CONSEIL SCIENTIFIQUE stand auf einem Schild vor ihr. Ich ging zu ihr und erkundigte mich, an wen ich mich wenden müsste, um eine Rechercheberatung für das Archiv zu bekommen. Sie stellte ein paar Fragen, wollte wissen, von welcher Universität ich kam, schrieb Hillcrest auf einen Zettel, notierte sich die Zeit, die mich interessierte, den Namen De Vanders und weitere Stichworte, die ich nicht lesen konnte. Dann verschwand sie. Kurz darauf kehrte sie in Begleitung eines Mannes zurück. Er schaute mich neugierig an und stellte sich als Frederic Alignon vor. Der Autor des Artikels über Herge? Aber die erste Frage, die er mir stellte, brachte mich noch mehr aus der Fassung.
    »Schon wieder jemand aus Hillcrest«, sagt er und lächelte erfreut. »Kennen Sie Mr. Lavell?«

Kapitel 57
    »Bitte, rauchen Sie nur«, sagte er und schob mir seinen Aschenbecher hin. Das Büro lag ein Stockwerk höher als der Lesesaal. Auf dem Hochhaus gegenüber drehte sich ausgerechnet eine übergroße Plastik-Nachbildung von Tim und Struppi.
    Frederic Alignon war klein und ein wenig rundlich, er hatte schwarzes Haar, das sich bereits ein wenig lichtete, und er hielt die Hände beim Sprechen vor sich auf dem Tisch gefaltet, als bereite es ihm andernfalls Mühe, nicht zu gestikulieren. Er trug einen Ehering, ein kariertes Hemd und sah zufrieden aus. Er sprach Englisch, was mir willkommen war.
    »Wie geht es David? Hat er Sie zu uns geschickt?«
    »Nein«, antwortete ich und deutete auf das Hochhaus gegenüber.
    »Ich bin durch Ihren Artikel über Herge auf den Soir Vole aufmerksam geworden.«
    »Ach ja«, rief er erfreut aus.
    Etwas hielt mich zurück, von Davids Unfall zu sprechen. Dieser Mann hatte Informationen, und ich hatte sehr wenig Zeit.
    »Aber Sie interessieren sich für Jacques De Vander, genauso wie David?«
    »Er ist es also tatsächlich?«, fragte ich ungläubig.
    Alignon lächelte amüsiert. »Der Professor aus Yale? Ja, sicher. Warum sollte er es nicht sein? Seine ruhmreiche Vergangenheit ist ja allseits bekannt.«
    »Bekannt? Wo?«
    »Überall. Hier sowieso. Aber wohl auch in den USA.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »De Vander wurde denunziert. In den Fünfzigerjahren, als er noch in Harvard war.«
    »Sie sagen, es war in Harvard bekannt, dass De Vander ein überzeugter Nationalsozialist und Antisemit gewesen ist?«
    »So stand es in einem anonymen Brief, der 1955 in Harvard einging.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Wir sind das Dokumentationszentrum für Kriegsopfer. Die Leute schicken uns alles Mögliche. Hier ist damals eine Kopie des Schreibens eingegangen.«
    »1955 sagen Sie?«
    »Ja.«
    »Und was geschah dann?«
    »Nichts. De Vander hat alles geleugnet, von Verleumdung gesprochen und alles auf Hendrik De Vander geschoben, den er außerdem fälschlich als seinen Vater ausgegeben hat.«
    »Und wer war Hendrik De Vander?«
    »Jacques De Vanders Onkel. Vermutlich wollte Jacques De Vander mit dieser kleinen Ungenauigkeit seinen familiären Hintergrund dunkler malen, um sich als Opfer hinzustellen.
    Danach hat niemand mehr genauer

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