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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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ich. Ich kannte den Namen des Dekans, hatte ihn jedoch noch nie zuvor gesehen.
    »Die Herren von der Polizei möchten Ihnen ein paar Fragen stellen. Sind Sie damit einverstanden?«
    »Ja. Natürlich.«
    Der Polizist mit den Dokumenten räusperte sich.
    »Sie sind Matthew Theiss, Gaststudent aus Deutschland?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Seit wann sind Sie in Hillcrest?«
    Ich beantwortete alle Fragen. Es stand ja sowieso alles in den Unterlagen vor ihm auf dem Tisch. Es war offensichtlich meine komplette Akte.
    »Mr. Theiss, kannten Sie Mr. Lavell?«
    »Ein wenig, ja.«
    »Was bedeutet ein wenig?«
    »Ich habe vor drei Wochen seinen Vortrag gehört, der einiges Aufsehen erregt hat.«
    »Sonst hatten Sie keinen Kontakt zu ihm?«
    Ich zögerte. Wie sollte ich darauf antworten? Die ganze, komplizierte Geschichte erzählen? Der Mann kam mir zuvor.
    »Ich kann es Ihnen ja gleich sagen. Wir haben Sie unter anderem deshalb sprechen wollen, weil einige Studenten ausgesagt haben, dass Sie in letzter Zeit mehrfach mit Miss Uccino gesehen wurden, Mr. Lavells Freundin. Ist das richtig?«
    »Ja. Wir sind befreundet.«
    »Und Sie wissen auch, wo Miss Uccino sich gegenwärtig aufhält?«
    »Ja. Miss Candall-Carruthers hat mich gestern informiert, dass sie in St. James ist.«
    Delany erhob sich, ging zu Billings und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Billings stand auf und verließ den Raum. Delany setzte sich wieder.
    »Würden Sie uns bitte schildern, in welchem Verhältnis Sie zu Mr. Lavell und Miss Uccino stehen«, fuhr der Polizist fort.
    Das war tatsächlich ein richtiges Verhör.
    »Miss Uccino ... Janine und ich haben uns im letzten Trimester in einem Kurs kennengelernt. Wir haben uns angefreundet.«
    Niemand sagte etwas.
    »David und Janine haben sich vor Kurzem getrennt«, fügte ich hinzu.
    »Wegen Ihnen?«
    »Nein. Ihre Trennung war bereits im Gang, als ich noch gar nicht hier angekommen war. Das hat sie mir jedenfalls gesagt.«
    »Wann genau ist es zu dieser Trennung gekommen? Wissen Sie das?«
    Durfte man mich über so private Dinge einfach ausfragen? Redete ich mich hier womöglich um Kopf und Kragen?
    »Am Tag nach Davids Vortrag wollten er und Janine für ein paar Tage wegfahren. Von diesem Ausflug kehrten sie frühzeitig zurück. Sie hatten gestritten, und daher waren sie nach wenigen Stunden umgekehrt. Janine sagte mir damals, sie habe sich von David getrennt. Er zog an diesem Wochenende aus ihrer Wohnung aus.«
    »Wann war das genau?«
    »Es war das Wochenende vor Beginn des zweiten Trimesters. Also der 13., 14. November.«
    Die Tür öffnete sich, und Billings kam wieder herein. Er ging auf den Polizisten zu, der die Fragen stellte und sagte leise etwas zu ihm. Der Mann nickte.
    »OK«, sagte er. »Fünf Minuten Pause. Mr. Theiss, Mr. Billings will mit Ihnen sprechen. Bitte.«
    Billings nickte mir zu. Ich erhob mich und folgte ihm nach draußen. Wir gingen in sein Büro.
    »Ich habe in New York beim Auslandsamt angerufen«, sagte er, »um mir Weisung zu holen, wie ich verfahren soll. Bisher handelt es sich um eine schlichte Befragung. Aber Sie können sich vorstellen, dass die Polizei in alle Richtungen ermittelt.«
    »Verdächtigt man mich?«
    »Sie haben mit dieser Sache bestimmt nichts zu tun, Matthew, davon bin ich überzeugt. Aber ausgerechnet Sie waren in letzter Zeit der Einzige, der zu David Kontakt hatte. Sie haben dies ja auch Professor Barstow gegenüber bestätigt, nicht wahr?«
    Ich nickte stumm.
    »Deshalb werden Sie befragt. Ich habe dem Auslandsamt die Situation erklärt. Man bittet Sie, zu kooperieren und auszusagen, was Sie wissen oder beobachtet haben. Sollte man jedoch von Ihnen verlangen, unter Eid auszusagen oder Vernehmungsprotokolle zu unterschreiben, dann sollen Sie das nicht ohne Rücksprache mit einem juristischen Beistand tun. Sollte es dazu kommen, dann werden wir uns natürlich darum kümmern. Aber ich halte das für unwahrscheinlich.«
    Mir wurde schwindelig. Juristischer Beistand? Eid?
    Die Befragung dauerte über zwei Stunden. Ich trat die Flucht nach vorn an und erzählte die ganze Geschichte. Von Anfang an. Meine Bekanntschaft mit Janine, wie wir uns nähergekommen waren, mein Interesse am INAT und damit auch an David. Ich beschrieb, welche Dreiecksbeziehung vorübergehend daraus entstanden war. Auch meine beiden Treffen mit ihm in seinem Büro verheimlichte ich nicht. David sei wiederholt auf mich zugekommen, einmal wegen einer Übersetzung, das zweite Mal, um mich auf diesen mir

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