Der gestohlene Abend
Davids Wagen vielleicht verschwunden war.«
»Hätten Sie sie in diesem Fall aufgesucht?«
»Ja. Bestimmt.«
»Hatte sich zwischen Ihren beiden Besuchen irgendetwas verändert? Waren die Wagen bewegt worden? Waren die Fenster offen oder geschlossen? Brannte Licht?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Es sah alles so aus wie zuvor.«
»Welche Vermutungen haben Sie über den Verlauf des Abends? Nach Ihrem Telefongespräch mit Miss Uccino muss-ten Sie davon ausgehen, dass Mr. Lavell bei ihr war, oder?«
»Ja. Das habe ich vermutet, aber nicht wirklich glauben können. Erst als ich seinen Wagen sah. Aber sollten Sie das nicht lieber Miss Uccino fragen?«
»Uns interessieren Ihre Eindrücke. Mr. Lavell war also wahrscheinlich bei ihr, als Sie das erste Mal dort eintrafen. Als Sie später noch einmal wiederkamen, haben sie gesehen, wie das Licht in Miss Uccinos Wohnung erloschen ist. Warum sind Sie da nicht zu ihr gegangen?«
Ich schüttelte verständnislos den Kopf.
»Weil es mir peinlich gewesen wäre.«
»Was war Ihrer Vermutung nach der Grund dafür, dass das Licht erloschen ist?«
»Intime Handlungen«, sagte ich schnell, damit es endlich vorüber sein mochte.
»Waren Sie nicht eifersüchtig? Wütend? Enttäuscht?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich war todtraurig«, sagte ich. Diese Befragung ging mir allmählich zu weit. Musste ich hier wirklich mein Gefühlsleben ausbreiten? Glücklicherweise kam mir der Dekan zu Hilfe.
»Ich denke, das reicht erst einmal, meine Herren. Danke, Matthew. Sie können gehen.«
Kapitel 42
Die Stunden nach dem Verhör verbrachte ich in einer Mischung aus Unruhe und Apathie. Ich las die Berichte der Universitätszeitung über den Stand der Ermittlungen, bewegte mich jedoch so wenig wie möglich vom Telefon weg, um ein eventuelles Lebenszeichen von Janine nicht zu verpassen. Wenn sie sich nicht meldete, dann konnte es dafür nur zwei Gründe geben. Entweder es ging ihr noch dreckiger als mir. Oder sie versprach sich nichts von einem Gespräch mit mir. Man würde mich sicher nicht zu ihr durchstellen. Also konnte ich nur warten.
Um sechs rief Theo an. Er wusste ebenso wenig wie ich, was er mit seiner Zeit anfangen sollte. Die meisten Institute hatten beschlossen, erst nächste Woche wieder zu öffnen. Solange nicht klar war, was überhaupt geschehen war, konnte sich offenbar niemand durchringen, zum Alltag zurückzukehren.
Ich erzählte ihm von Winfrieds kryptischen Sprüchen und seiner Verschwörungstheorie.
»Typisch Winfried. So ein Quatsch«, sagte er trocken.
»Meinst du?«
»Ja. Winfried liest zu viele Krimis.«
»Und das sagst ausgerechnet du?«
»Ja. Natürlich. Ein Archiv anzuzünden, um eine Berufung zu verhindern! Das glaubst du doch wohl selbst nicht. David war doch nicht bekloppt.«
Ich sagte nichts dazu. Die Spekulationen klangen im Augenblick alle absurd. Wenn ich nur mit Janine hätte sprechen können. Hatte sie womöglich recht? War David ausgerastet? Was hatte ihn so fertiggemacht? Weltekel? Studienüberdruss? Oder einfach Liebeskummer? Was haben wir getan?
Theo schlug vor, ins Kino zu gehen, aber ich hatte keine Lust. Ich wollte nicht vom Telefon weg. Ich wartete noch eine Stunde, dass sie endlich anrufen würde, aber der Apparat blieb stumm. Um sieben klingelte er endlich. Aber es war nicht Janine. Es war John Barstow.
»Mr. Delany hat mich gebeten, Sie anzurufen. Wie geht es Ihnen. Sind Sie OK?«
»Es geht so. Danke.«
»Ich habe eine Nachricht für Sie. Keine gute Nachricht, aber eine, die Sie beruhigen wird. Sie werden nicht noch einmal aussagen müssen. Sie haben Davids Wagen untersucht und Plastikflaschen mit Benzin im Kofferraum gefunden. Die Ermittlungen laufen zwar noch weiter, aber Fremdverschulden wird jetzt ausgeschlossen. Sie müssen sich also keine Sorgen machen.«
»Danke.«
»Janine hat vor einer Stunde eine Aussage gemacht. Sie hat alles bestätigt, was Sie erzählt haben.«
»Wissen Sie, wie es ihr geht?«, fragte ich ihn.
»Nicht besonders gut«, antwortet er.
»Ist sie noch im Krankenhaus?«
»Ja.«
»Wissen Sie, wann sie entlassen wird?«
»Soweit ich weiß, fährt sie morgen oder übermorgen nach Hause.«
»Nach Hause? Sie kommt nicht zurück?«
»Nein. Sie bricht das Trimester ab. Ihre Eltern sind schon gekommen.«
Ich brachte kein Wort mehr heraus.
»Soweit ich gehört habe, ist sie in einem ziemlich schlechten Zustand, Matthew. Wenn sie meine Tochter wäre, würde ich sie auch erst einmal zu mir
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