Der gestohlene Traum
Anschaffungen gemacht, Investitionen, was weiß ich . . .?«
»Ich hoffe, dass ich von solchen Veränderungen in seinem Leben etwas wüsste. Noch gestern hätte ich Ihnen eine eindeutige Antwort auf Ihre Frage gegeben, aber heute garantiere ich für nichts mehr«, sagte Olschanskij deprimiert.
»Verzeihen Sie mir bitte, ich weiß, dass Sie mit Larzew sehr eng befreundet sind«, erwiderte Gordejew schuldbewusst. »Ich hätte dieses Gespräch nicht beginnen dürfen, alles das ist für Sie genauso bedrückend wie für mich. Aber da ist noch Anastasija, die bedroht wird, und ich möchte nicht, dass ihr etwas zustößt. Deshalb muss ich so viel wie möglich wissen, um einschätzen zu können, was ich tun kann und was ich lassen muss. Verzeihen Sie mir«, sagte Gordejew noch einmal und erhob sich mühsam vom Stuhl.
Ich habe tatsächlich ganz schön nachgelassen, dachte der Oberst, während er mit steifen Fingern seinen Mantel zuknöpfte, in dem immer noch die Feuchtigkeit von der Straße hing. Diese Mattigkeit, die Taubheit in den Händen, das Schwindelgefühl, wenn ich aufstehe. Ich bin erst vierundfünfzig, aber in diesen letzten zwei Monaten bin ich ein Wrack geworden. Ach, Larzew, Larzew, warum hast du das nur getan? Warum bist du nicht zu mir gekommen? Wie haben sie es geschafft, dich so in die Zange zu nehmen?
Er stieg die Treppen hinab, ankämpfend gegen das Schwindelgefühl, festgeklammert am Treppengeländer, die Augen auf seine Füße geheftet. Und plötzlich begriff er, womit sie Larzew erpressten. Und im selben Moment begriff er auch, dass Nastja aus demselben Grund die Hände gebunden waren. So schnell er konnte, lief er nach unten, zum Sergeanten, der den Eingang zur Staatsanwaltschaft bewachte, und griff ohne Erlaubnis zum Telefonhörer.
»Pawel? Wo ist Larzew?«
»Im Gefängnis. Er hat heute zwei Verhöre.«
»Du musst ihn finden, Pawel, koste es, was es wolle. Finde ihn auf der Stelle.«
»Wo steckst du eigentlich?«, fragte Sherechow unfreundlich. »Du wolltest in einer halben Stunde hier sein. Hast du vergessen, dass Morozow auf dich wartet?«
»Ja, ich habe es vergessen. Aber ich bin schon auf dem Weg. Ist er noch bei dir im Büro?«
»Er ist Zigaretten kaufen gegangen.«
»Entschuldige mich bei ihm, Pawel, er soll bitte noch kurz warten. Ehrenwort, ich bin auf dem Weg.«
Von der Staatsanwaltschaft bis zur Petrowka war es nicht weit, und Oberst Gordejew ging so schnell wie möglich. Aber er kam trotzdem zu spät.
VIERZEHNTES KAPITEL
Nastja zog ihren Morgenmantel aus und schlüpfte in Jeans und einen strengen schwarzen Pullover.
»Was ist los?«, fragte Ljoscha. »Erwartest du Besuch?«
»Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen«, sagte sie kurz angebunden und ging ins Bad.
Sie bürstete lange und sorgfältig ihr Haar und band es am Hinterkopf zu einem festen Knoten zusammen, den sie mit Haarnadeln feststeckte. Sie betrachtete sich aufmerksam im Spiegel und holte ihre Schminkutensilien aus dem Wandschrank.
Ich bin ein Miststück, herzlos, gemein, unverschämt, selbstgewiss, kalt und berechnend, sagte sie sich, während sie ihr Gesicht vorsichtig mit Pinseln verschiedener Größe bearbeitete. Das Schminken war eine mühsame, langwierige Kleinarbeit, und als Nastja endlich fertig war, hatte der Inhalt ihrer Selbstbezichtigungen Gestalt angenommen. Aus dem Spiegel sah sie eine strenge, kalte Frau an. Die Augen dieser Frau kannten keine Tränen, ihr Herz kein Erbarmen und ihr Verstand keine Zweifel.
Sie stand noch eine Weile im Bad, dann ging sie leise, so, dass Ljoscha sie nicht hören konnte, nach nebenan und stellte sich vor den großen Spiegel. Schultern gerade, Rücken gestreckt, Kinn nach oben. Ein Körper wie eine gespannte Saite. Sie schloss die Augen, um sich von ihrer äußeren Erscheinung abzulenken und in die entsprechende innere Verfassung zu kommen. Die Menschen sind Dreck, sagte sie sich, es ist völlig legitim, sie hinter die eigenen Interessen zu stellen. Ich will nicht, dass ein Wahnsinniger mich und Tschistjakow erschießt. Ich bin bereit, alles und jeden zu verraten, um am Leben zu bleiben. Larzews Tochter ist mir völlig egal, aber ich weiß, dass auch ich sterben muss, wenn ihr etwas zustößt. Mir geht es nur darum, mich selbst zu retten, nur darauf kommt es an. Diese Larzews, Gordejews, Olschanskijs und wie sie alle heißen sind genau derselbe Abschaum wie diese Typen, die meine Treppe und meinen Hauseingang bewachen. Nichts als Ungeziefer, auf das es nicht ankommt,
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