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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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etwas ganz anderes als die Unterlagen, die der Untersuchungsführer sammelt, während die Ermittlungen laufen. Das heißt, die Unterlagen sind natürlich dieselben, aber in einer Akte, die dem Gericht übergeben wird, kann sich selbst der Teufel verirren, besonders dann, wenn die Beschuldigten nicht nur ein Verbrechen begangen haben, sondern mehrere gleichzeitig. Sie werden in einem relativ einfachen Fall recherchieren müssen. Nur eine einzige Beschuldigte und nur eine Straftat. Aber bitte studieren Sie die Akte so aufmerksam wie möglich und verlassen Sie sich nicht auf Ihr Gedächtnis, sondern machen Sie sich Notizen. Schreiben Sie sich auch die Namen derer auf, die an der Untersuchung des Falles und an der Gerichtsverhandlung beteiligt waren. Und noch eines. Bitte denken Sie nicht, dass ich Ihnen misstraue, aber ich möchte Missverständnissen vorbeugen: Kommen Sie bitte nicht auf die Idee, nur die Anklageschrift oder das Urteil zu lesen. Mich interessiert der gesamte Verlauf der Untersuchung, unter anderem die Aussagen der Zeugen und der Beschuldigten, besonders solche, in denen sich Widersprüche finden. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ja«, sagte der Praktikant enttäuscht. »Dürfte ich vielleicht Ihr Telefon benutzen? Ich fürchte, dass meine Eltern inzwischen von der Datscha nach Hause gekommen sind und sich fragen, wo ich stecke. Ich bin nach Ihrem Anruf so überstürzt aufgebrochen, dass ich nicht einmal einen Zettel hinterlassen habe.«
    »Das Telefon steht in der Küche.«
    Oleg verließ das Zimmer, und Morozow setzte ein breites Grinsen auf.
    »Das also ist die heutige Jugend, die in den Polizeidienst strebt! Am liebsten möchte er morgen schon Offizier werden, aber er muss die Eltern anrufen, um Bescheid zu sagen. Muttersöhnchen.«
    »Du solltest dich schämen«, sagte Nastja vorwurfsvoll. »Vielleicht hat er einfach solche Eltern. Er wäre vielleicht froh, wenn er nicht Bescheid sagen müsste, aber er weiß, dass sie sich Sorgen machen. Für unsere Eltern bleiben wir immer dumme kleine Kinder, daran kann man nichts ändern.«
    Nachdem Nastja die Tür hinter ihren Gästen geschlossen hatte, blieb sie unschlüssig vor ihrer Reisetasche im Flur stehen und überlegte, ob sie sie jetzt auspacken sollte oder später. Am Morgen war ihre Mutter mit Dirk zum Flughafen Leonardo da Vinci gekommen, um sich von Nastja zu verabschieden. Nadeschda Rostislawowna übergab ihr ein riesiges Paket mit Geschenken, und Dirk überreichte ihr mit einem Augenzwinkern ein Bücherpaket. Es handelte sich um die Thriller von Brisac, Taschenbuchausgaben, die er soeben auf dem Flughafen erstanden hatte. Die Bücher lagen in der Reisetasche. Es hilft nichts, ich muss auspacken, dachte Anastasija Kamenskaja missmutig und schritt zur Tat.
    Nachdem sie ihre Sachen verstaut hatte, nahm sie eine heiße Dusche, um sich aufzuwärmen, dann holte sie das Telefon mit der langen Schnur aus der Küche, stellte es an das Kopfende des Schlafsofas, schlüpfte unter die Decke und schlug eines der Bücher auf, in denen Brisac sich einem russischen Thema widmete.
    * * *
    »Nastja!«, rief Gena Grinewitsch freudig aus und umarmte seine Freundin. »Was verschafft mir die Ehre? Du hast mich doch erst vor kurzem besucht. Ist etwas passiert?«
    »Ich brauche deinen Rat.«
    Nastja fuhr dem Regieassistenten zärtlich durch die Überbleibsel seines Haars auf dem Kopf und küsste ihn aufs Kinn.
    »Du hast gesagt, dass du in Frankreich und Deutschland Bekannte hast, die Journalisten sind.«
    »Möchtest du irgendeine sensationelle Enthüllungsgeschichte veröffentlichen?«, fragte Grinewitsch scherzhaft.
    »Ich möchte dir ein paar Fragen stellen. Es gibt einen Schriftsteller namens Jean-Paul Brisac. Er ist nicht gerade ein leuchtender Stern am Literatenhimmel, bei uns wird er nicht übersetzt, ich glaube, man kennt ihn hier nicht einmal. Aber er ist sehr produktiv, seine Bücher verkaufen sich angeblich sehr gut, besonders als Reiselektüre. Ich würde gern mehr über diesen Mann wissen.«
    »Ist er Franzose?«
    »Vermutlich ja, aber genau weiß ich es nicht.«
    »Und warum fragst du dann nach deutschen Journalisten?«
    »Er hat einen ganzen Romanzyklus geschrieben, in dem er sich russischen Themen widmet, und man hat mir gesagt, dass solche Bücher großen Anklang bei den russischen Emigranten finden. Darum habe ich gedacht, dass vielleicht auch die Journalisten in Deutschland etwas über ihn wissen könnten.«
    »Was möchtest du wissen?«
    »Ich möchte

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