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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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welchem Schluss bist du gekommen?«
    »Es ist Kreide. Ganz gewöhnliche Farbkreide, wie sie in jedem Schreibwarengeschäft zu haben ist. Jede Schneiderin besitzt einen Satz davon, mit Farbkreide überträgt man das Schnittmuster auf den Stoff. Ich bin noch einmal selbst ins Archiv gefahren und habe mir die Prozessakte der Jeremina mit eigenen Augen angeschaut. Es ist seltsam, Andrej. So etwas nenne ich ein Schulbeispiel.«
    »Warum?«
    »Alles ist so glatt und stimmig wie in einem Lehrbuch. Perfekte Unterlagen, chronologisch abgeheftet, die Protokolle sind mit der Schreibmaschine geschrieben, damit man sie bequem lesen kann und über nichts stolpert. Das ist eine Spielzeugakte, ein Weihnachtsgeschenk in einer hübschen Verpackung. Echte Strafsachen sehen anders aus.«
    »Meinst du nicht, dass du übertreibst? Ich habe die Akte schließlich auch gelesen, und mir ist nichts Besonderes aufgefallen.«
    »Du hast mit ganz anderen Augen geschaut als ich, du hast gelesen und nach Informationen gesucht. Dir ist es um den Inhalt gegangen, deshalb hast du nicht auf die Form geachtet.«
    Eine Zeit lang schwiegen sie.
    »Hast du etwas mit Kartaschow ausgemacht?«, fragte Nastja schließlich.
    »Ja, er erwartet uns in Wodniki, am Yacht-Club.«
    »Ich bitte dich, Andrej, bleib den ganzen Tag in Reichweite. Am besten, du verlässt heute die Petrowka nicht.«
    »Ich bin kein kleines Kind und habe diese Idee selbst schon gehabt.«
    »Mache ich dir schon wieder Vorschriften?«, fragte Nastja verwirrt. »Entschuldige bitte.«
    Vor dem Yacht-Club stieg Nastja zu Boris Kartaschow ins Auto. Andrej fuhr den Shiguli mit der Aufschrift »Medizinischer Dienst« zum örtlichen Revier der Miliz, stellte ihn dort ab und kehrte mit der S-Bahn nach Moskau zurück.
    * * *
    Aus einem Wagen, der vor der Poliklinik anhielt, stieg ein sympathischer junger Mann. Er ging zum Gebäude, zeigte dem Pförtner seinen Passierschein und lief mit zielsicheren Schritten die Treppe hinauf zur Anmeldung.
    »Guten Tag, Galotschka«, sagte er zu der jungen Frau hinter dem Schalter.
    Diese zerfloss in einem breiten Lächeln, als sie ihren Bekannten erblickte.
    »Guten Tag! Ist etwas passiert? Sind Sie krank?«, fragte sie teilnahmsvoll.
    »Nein, ich suche eine Kollegin, Anastasija Pawlowna Kamenskaja. Ich brauche sie dringend, und im Büro hat man mir gesagt, dass sie heute zum Gesundheitscheck hier ist. Ich vermute zwar, dass sie in Wirklichkeit ein Rendezvous hat, aber für alle Fälle wollte ich mal bei euch vorbeischauen, ob sie nicht doch hier ist. Vielleicht habe ich ja Glück.«
    »Wie war der Name?«
    »Kamenskaja, Anastasija Pawlowna.«
    »Ich sehe gleich nach.«
    Die junge Frau verschwand hinter den langen, hohen Regalen im Innern des Raumes.
    »Die Patientenkarte ist nicht da«, erklärte sie, nachdem sie zum Schalter zurückgekehrt war. »Demnach muss Ihre Kamenskaja irgendwo hier sein.«
    »Können Sie mir sagen, wo ich sie suchen muss?«
    »Fragen Sie bei der Prophylaxe, Zimmer 202. Dort wird man es Ihnen sagen.«
    »Galotschka, ich stehe in Ihrer Schuld!«
    Der Mann entfernte sich, blieb ein paar Sekunden vor der Garderobe stehen, entdeckte die leuchtend rote Jacke, die an einem Haken hing, und begab sich über die Treppe in den zweiten Stock.
    Die Tür zu Zimmer 202 stand weit offen. Auf dem Korridor saßen Menschen mit Patientenkarten in der Hand vor einem laufenden Fernseher. Der Mann betrat das Zimmer.
    »Guten Tag, ich bin von der Kripo, aus Gordejews Abteilung.«
    »Kommen Sie zum Gesundheitscheck?«, fragte ein sympathisches Pummelchen, das gerade etwas in einem Karteikasten suchte.
    »Nein, nicht ganz. Ich komme im Auftrag meines Chefs, um zu überprüfen, ob heute eine Anastasija Pawlowna Kamenskaja bei Ihnen war. Sie fehlt sehr oft im Büro, angeblich besucht sie die Poliklinik. Aber der Chef zweifelt daran, Sie verstehen selbst. . .«
    »Eine Kamenskaja?«
    Das Pummelchen dachte angestrengt nach.
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Doch, doch, sie war hier«, meldete sich eine junge Krankenschwester mit rotem Pony aus der anderen Ecke des Zimmers zu Wort. »Weißt du noch, wir haben uns über sie gewundert, weil sie Majorin ist und aussieht wie fünfundzwanzig.«
    »Ach ja, die«, lächelte das Pummelchen. »Jetzt weiß ich es wieder. So eine schlanke Blondine, ja?«
    »Ja, genau die meine ich. Ich danke euch, ihr Hübschen. Jetzt kann ich meinem Chef guten Gewissens berichten, dass die Kamenskaja nicht blaumacht. Übrigens, wie lange

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