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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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dauern die Untersuchungen? Etwa zwei Stunden?«
    »Wo denken Sie hin! Wir haben hier sehr lange Wartezeiten. Es dauert den ganzen Tag.«
    Der Mann plauderte noch eine Weile mit den Mädchen und verabschiedete sich. Ohne sich umzusehen, ging er zum Ausgang und bemerkte den Blick in seinem Rücken nicht, der ihm aufmerksam folgte.
    * * *
    »Er hat gesagt, dass er bei Ihnen in der Abteilung arbeitet. Ein mittelgroßer Mann, dichtes dunkles Haar, schmale Schultern. Schöne, ebenmäßige Gesichtszüge, eine Narbe am linken Ohrläppchen. Eine hohe, klangvolle Stimme.«
    »Das ist keiner von uns«, sagte Gordejew entschieden. »Bei uns gibt es nur zwei attraktive Männer, der eine ist zwar dunkelhaarig, aber sehr groß. Der zweite ist blond. Und niemand von meinen Mitarbeitern hat eine Narbe am Ohrläppchen. Was war weiter?«
    »Er stieg ins Auto und fuhr in Richtung Sadowoje Kolzo. Irgendwie benahm er sich seltsam. Um elf Uhr zwanzig hielt er vor einer Telefonzelle, aber er stieg nicht sofort aus, sondern sah erst zweimal auf die Uhr. Dann ging er gemächlich zur Zelle, nahm den Hörer ab, hängte sofort wieder ein und stürzte zurück zum Auto. Offenbar war das Telefon defekt, und nun wurde die Zeit knapp. Er fuhr sofort wieder los und hielt vor der nächsten Telefonzelle, er schien sehr nervös zu sein. Dieses Mal hatte er Glück, das Telefon funktionierte. Er wählte eine Nummer und drückte gleich darauf auf die Gabel, ohne mit jemandem gesprochen zu haben. Dann wählte er erneut, wartete diesmal etwas länger, aber es meldete sich wieder niemand. Er wählte ein drittes Mal, wartete noch länger und hängte wieder ein, auch diesmal hatte er mit niemandem gesprochen. Er verließ die Telefonzelle, stieg ins Auto und fuhr in Richtung Ismajlowo.
    »Er hat drei Nummern angerufen und niemanden erreicht. Was kommt dir daran seltsam vor?«
    »Er hat auf die Uhr gesehen und ganz offensichtlich auf eine vereinbarte Zeit gewartet. Das heißt, dass seine Anrufe erwartet wurden. Warum hat dann niemand abgenommen? Außerdem hatte er weder ein Geldstück noch eine Telefonmünze in der Hand. Wie hätte er mit jemandem sprechen können?«
    »Du hast Recht. Ich werde darüber nachdenken. Lasst ihn nicht aus den Augen.«
    »Viktor Alexejewitsch, wenn er sich Einlass in die Poliklinik verschaffen konnte, muss er einer von unseren Mitarbeitern sein. Wir haben kein Recht. . .«
    »Hast du seinen Dienstausweis gesehen?«, unterbrach Gordejew seinen Gesprächspartner scharf.
    »Nein, aber. . .«
    »Ich habe ihn auch nicht gesehen. Behalte deine Schlussfolgerungen für dich. Solange du seinen Dienstausweis nicht mit eigenen Augen gesehen hast, ist er für dich kein Kollege, sondern ein Beschattungsobjekt.«
    »Gut, wie Sie meinen.«
    * * *
    Boris Kartaschow hielt an und sah noch einmal auf die Karte.
    »Ich glaube, wir haben die Abzweigung nach Ozerki verpasst. Wir müssen umkehren.«
    Er wendete das Auto, und schon eine Minute später waren sie an der richtigen Kreuzung. Von hier war es nur noch ein Katzensprung bis zu Smeljakows Adresse.
    Der ehemalige Untersuchungsführer Grigorij Fjodorowitsch Smeljakow bewohnte ein großes zweistöckiges Haus, das inmitten von Apfelbäumen stand. Alles hier ließ eine geschickte, fürsorgliche Hand erkennen. Die säuberlich zurückgeschnittenen Sträucher, der frisch gestrichene Gartenzaun, der gepflegte Weg, der vom Gartentor zum Haus führte.
    »Werden wir vom Hausherrn erwartet?«, fragte Boris, während er das Auto abschloss.
    »Nein.«
    »Und wenn wir ihn nicht antreffen, was machen wir dann?«
    »Das werden wir entscheiden, wenn wir ihn wirklich nicht antreffen sollten«, sagte Nastja so sorglos wie möglich. In Wirklichkeit war ihr bewusst, was geschehen würde, wenn Smeljakow nicht zu Hause war, wenn es ihr nicht gelingen sollte, den Zeitvorsprung zu nutzen, den sie heute gewonnen hatte. Sie wollte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. Es war ganz klar, dass sie mit einem so primitiven Manöver wie dem heutigen kein zweites Mal durchkommen würde. SIE erwarteten komplizierte Schachzüge von ihr, und nur deshalb war es geglückt, mit diesem altbekannten Trick etwas Zeit zu gewinnen. Schon morgen würden SIE die Wahrheit erfahren, und dann würde Nastja unbemerkt nicht einmal mehr bis zur Toilette kommen. Heute war der entscheidende Tag, und alles hing davon ab, was sie aus dem Tag machte.
    Sie stieß das Gartentor auf, und im selben Augenblick erschien auf der Türschwelle des Hauses ein älterer,

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