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Der gestohlene Traum

Der gestohlene Traum

Titel: Der gestohlene Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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nicht. Ich warte schon seit etwa einem halben Jahr darauf, dass jemand anfängt, in dieser alten Geschichte herumzustochern, sie an die Öffentlichkeit zu zerren und schmutzige Wäsche zu waschen. Unsere Journalisten lieben so etwas ja, sie sind ständig auf der Jagd nach Schuldigen. Ich habe mich ein halbes Jahr lang auf dieses Gespräch vorbereitet, aber bis zuletzt ist mir unklar geblieben, ob ich seinen Namen nennen soll oder nicht. Er ist zwar ein Schurke, aber immerhin Politiker, ich habe Angst, und Rachsucht liegt nicht in meiner Natur. Ich weiß gar nicht, warum ich es nun doch gesagt habe. Wahrscheinlich deshalb, weil Sie anders gefragt haben, als ich erwartet hatte.«
    »Von wem genau sprechen Sie? Sie waren doch zu zweit.«
    »Von Gradow natürlich, Sergej Alexandrowitsch Gradow. Seit ich ihn vor einem halben Jahr im Fernsehen gesehen habe, warte ich darauf, dass jemand kommt und mich nach seiner schwarzen Seele fragt. Er hat sich ein halbes Jahr lang darauf vorbereitet, sich einen Platz in der Duma zu erobern, und ich mich auf dieses Gespräch. Nun haben wir beide erreicht, was wir wollten, jeder das Seine.«
    Auf dem Weg zur örtlichen Miliz dachte Andrej über die absurde Verbindung zwischen Lena und Vitalij nach. Eine Verbindung ohne Liebe, ohne Leidenschaft, ohne Freundschaft. Da war nur die deprimierende Einsamkeit eines Provinzlers, der als Zeitarbeiter in die Hauptstadt gekommen war und alles daransetzte, sich den Status zu erobern, der damals als das höchste der Gefühle galt: Wohnrecht in Moskau, eine eigene Wohnung, Familie. Was führte die Menschen zusammen? Was ließ sie aneinander festhalten?
    * * *
    Arsenn war außer sich vor Wut. Diese kleine Polizistin, diese Rotznase hatte ihn ausgetrickst. Sie hatte das Unschuldslamm gespielt, die Schwache, die Sterbenskranke, die sich kaum noch auf den Beinen hielt, aber in Wirklichkeit hatte sie klammheimlich Bondarenko aufgesucht. Derjenige, der das zugelassen hatte, dem ihre Abwesenheit in der Poliklinik entgangen war, würde nichts zu lachen haben. Aber das stand auf einem anderen Blatt. Im Moment kam es nur darauf an, dieser kleinen Ratte die Luft abzudrehen, und zwar so, dass ihr das Schnüffeln für lange Zeit vergehen würde.
    Arsenn öffnete sein Notizbuch und machte zwei kurze Telefonate. Man musste sich jetzt mit Bondarenko befassen, und dazu brauchte er Leute aus dem östlichen Stadtbezirk. Alle Fäden, die zur Hauptverwaltung für Inneres und zur Petrowka 38 führten, hielt Arsenn selbst fest in der Hand. Als er seinerzeit auf die Idee gekommen war, eine eigene Organisation zu gründen oder, wie er es nannte, ein eigenes Kontor, hatte er hochfliegende Pläne gehabt. Seine Idee war ganz einfach und wurde in einer Warteschlange geboren, als Arsenn wieder einmal nach Sauersahne und Quark im Milchgeschäft anstand und die Bemerkung der feisten, unverschämten Verkäuferin aufschnappte:
    Ihr seid viele, und ich bin allein!
    Niemand beachtete diese Bemerkung, die von jeher zum Standardrepertoire des Verkaufspersonals gehörte, aber bei Arsenn war sie hängen geblieben.
    Zu jener Zeit war es bereits bekannt, dass es eine riesige Anzahl krimineller Verbände in der Stadt gab. Das organisierte Verbrechen, das außerhalb der Stadt sein Unwesen trieb, stand diesen Verbänden in nichts nach, aber sämtliche Händel und Abrechnungen zwischen den einen und den anderen fanden auf dem Territorium von Moskau statt. Und natürlich waren alle gleichermaßen daran interessiert, sich der Strafe für die traurigen Folgen ihrer gewalttätigen Auseinandersetzungen zu entziehen. Bestechung, Erpressung und andere einschlägige Methoden, mit denen man Untersuchungsführer und Kripobeamte unter Druck setzte, wurden gang und gäbe. Und Arsenn sah schon damals voraus, wie das weitergehen würde. Jede mehr oder weniger stabile kriminelle Organisation würde ihren eigenen Mann bei der Moskauer Kripo und beim Untersuchungsgericht haben wollen, es würden wüste, chaotische Aktivitäten zur Anwerbung von Mitarbeitern der Justiz einsetzen. Aber das quantitative Missverhältnis zwischen denen, die bestimmte Dienste beanspruchen wollten, und jenen, die diese Dienste erweisen konnten, würde zu erneuten Kämpfen zwischen den Banden führen. Arsenn stellte die einfache Rechnung auf, dass es nicht genügend Kripobeamte und Untersuchungsführer für alle gab, dass die Nachfrage größer war als das Angebot.
    Deshalb musste zwischen den zahlenmäßig ungleichen Seiten ein

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