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Der gewagte Antrag

Der gewagte Antrag

Titel: Der gewagte Antrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Marshall
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für Bücher ist zwar beachtlich groß, doch in der letzten Zeit hatte ich den Eindruck, dass du mehr im Marstall denn in der Bibliothek warst.”
    Die letzte Äußerung verunsicherte Elinor zutiefst, und verstört fragte sie sich, ob ihr innerer Aufruhr so deutlich erkennbar war, dass selbst die Tante ihn bereits bemerkte. Beinahe fluchtartig verließ sie den Salon und begab sich in die Bibliothek. Angesichts der Freude, die der betagte Challenor bei ihrem Erscheinen zeigte, beschloss sie, auf den nachmittäglichen Ausritt zu verzichten und sich lieber erneut hier einzufinden. Sie konnte behaupten, nicht zum Reiten aufgelegt zu sein, was keineswegs der Wahrheit entsprach, und diese Lüge zum Vorwand nehmen, nicht in den Stall und in Newcomes Nähe zu gehen. Sie wollte nicht einmal an Chad denken, denn selbst das brachte ihre Gefühle so durcheinander wie sein Anblick.
    Doch diesem heroischen Vorsatz blieb sie nur zwei Tage treu.
    Elinor erwachte nach unruhig verbrachter Nacht und unterließ es, der Zofe zu läuten. Sie stand auf, kleidete sich ohne Hilfe an, obgleich die Tante und Annie diese Angewohnheit missbilligten, und verließ das Haus, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Da sie sich nicht weit zu entfernen gedachte, verzichtete sie darauf, die Zofe oder einen der Lakaien mitzunehmen.
    Der Himmel war bezogen, doch es regnete nicht. Noch war es so früh, dass alle schliefen und niemand die Vorhänge seines Fensters zurückgezogen hatte. Der Spaziergang in der kalten Luft um das Gebäude erfrischte Elinor, und schließlich schlenderte sie, statt ins Haus zurückzukehren, wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, zu den Stallungen. Sie ging durch das imposante Tor, fand den Sattelplatz leer vor und wanderte um die Ecke zu dem Hof vor dem Quartier der Stallburschen weiter, einen Ort, den sie selten aufsuchte.
    Im grauen Licht des Morgens sah sie Chad Newcome mit dem Rücken zur der Pumpe stehen, vollkommen entblößt, einen Eimer neben sich und von einer großen Pfütze umgeben. Offensichtlich hatte er sich, ungeachtet der Kälte, dort gewaschen. Er trocknete sich soeben das Haar, sodass Elinor sein Gesicht nicht erkennen, er sie aber auch nicht sehen oder hören konnte. Wie gebannt blieb sie stehen, jäh erfüllt von den seltsamsten Gefühlen.
    Plötzlich ließ er das Handtuch sinken, und sein Blick fiel auf die Countess of Malplaquet. Nicht minder erschrocken als sie starrte er sie an.
    Sie hatte nie zuvor einen nackten Mann vor Augen gehabt, war jedoch überzeugt, dass kein anderer so prachtvoll gewachsen sein konnte. Natürlich schickte es sich nicht, ihn so unverhohlen zu betrachten, aber sie konnte den Blick nicht von ihm wenden und nahm auch die von Aisgill erwähnte Narbe knapp unter der Schulter wahr. Nach einem Moment wurde ihr indes bewusst, wie ungehörig sie sich benahm und dass Newcome ihr auffallendes Interesse an seiner Person bemerkt hatte.
    “Verzeihen Sie, Mylady, ich wusste nicht, dass Sie hier sind”, sagte er peinlich berührt, drehte sich um und schlang das Handtuch um die Hüften.
    “Es ist meine Schuld”, entgegnete sie befangen. “Ich hätte mich bemerkbar machen müssen.”
    Er wandte sich ihr wieder halb zu und lächelte schweigend.
    Dieses verführerische Lächeln musste ihm die Sympathie aller weiblichen Bediensteten gewinnen und jedes Frauenherz brechen. Unwillkürlich fragte sich Elinor, ob er bereits mit einer der Mägde oder Zofen geschäkert haben mochte, und die Starre, die sie bisher gelähmt hatte, fiel im Nu von ihr ab. Brüsk machte sie kehrt und eilte vom Hof, immer noch erschüttert darüber, wie sie auf Newcomes Anblick reagiert hatte. Etwas Ähnliches war ihr nie widerfahren, wenn sie sich in Gesellschaft eines anderen Mannes befunden hatte. Die Erregung war so stark, dass sie ihr angst machte. Ihr war ohne jeden Zweifel klar, dass sie nicht imstande gewesen wäre, Newcome Einhalt zu gebieten, hätte er sie in die Arme genommen und geküsst. Im Gegenteil, sie wäre mit Vergnügen auf seine Zärtlichkeiten eingegangen.
    Über sich selbst den Kopf schüttelnd, hastete sie blindlings ins Haus zurück. Doch sie konnte nicht vergessen, was sie soeben gesehen hatte. Den ganzen Tag hindurch wanderten die Gedanken zu Chad Newcome, und stets stand sein Bild vor ihr, dieser wundervoll athletische Körper, den er ihr morgens unabsichtlich enthüllt hatte.
    Als Chad vormittags das kleine Büro des Stallmeisters betrat, um sich die Anweisungen für den Tag zu holen, traf

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