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Der Gewinner Geht Leer Aus

Der Gewinner Geht Leer Aus

Titel: Der Gewinner Geht Leer Aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Stark
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sah, dass er schräg über die Straße ging, groß, grobknochig, ganz in Schwarz gekleidet und mit entschlossenen Schritten – sie war überrascht, dass er sie nicht einfach über den Haufen gerannt hatte. Er bog um die Ecke in die Bank Street und verschwand, und Pam setzte ihren Weg nach Hause fort, stirnrunzelnd und weit mehr beschwert von dieser flüchtigen Erinnerung als von der Plastiktüte.
    Sie kannte dieses Gesicht. Als sie am Haus 414 die Tür aufschloss, sah sie noch einmal zurück über die Straße und zurEcke Bank Street. In dieser Erinnerung war etwas Bedrohliches, Beängstigendes.
    Während sie einkaufen gewesen war, hatte der Briefträger die Post durch den Schlitz in der Haustür gesteckt. Pam ließ die Tür ins Schloss fallen und bückte sich, um die Briefe – hauptsächlich Rechnungen und Kataloge – aufzuheben. Dann schloss sie die Innentür auf.
    Beim Anblick des Rollstuhls fiel es ihr wieder ein. Der Rollstuhl, den Matt in letzter Zeit kaum noch benutzte, stand links der Treppe, an deren rechter Seite die Schiene des Treppenlifts für Matts seltenen Ausflüge in die Außenwelt befestigt war, und beides erinnerte sie an den Mann und das einzige Mal, dass sie ihn gesehen hatte, an einen Tag, den zu vergessen ihr meist gelang.
    Vor Jahren, vor hundert Jahren, so schien es ihr, in einem anderen Leben, einer anderen Welt. Die Kinder waren damals noch Kinder gewesen, Bob, der älteste, erst zehn. Sie war mit Ed Saugherty verheiratet gewesen, der einen guten Job als Angestellter einer Computerfirma in Philadelphia gehabt hatte, und sie hatten in einem schönen Backsteinhaus in einem grünen Vorort westlich der Stadt gewohnt.
    Aber Ed hatte einen umtriebigen Freund aus High-School-Tagen gehabt, einen Mann namens George Uhl, und der hatte Ärger ins Haus gebracht, und zwar in Gestalt seiner selbst und eines Koffers, in dem etwas Wertvolles gewesen sein musste, auch wenn er nie gefunden worden war. Denn Uhl war inzwischen tot, und diese anderen beiden, Paul Brock und Matt Rosenstein, waren ins Haus eingedrungen und hatten den Koffer gesucht.
    Kaum waren sie im Haus, da wollte Matt sie vergewaltigen, und als Ed versuchte, ihn daran zu hindern, fiel Matt über ihn her und schlug mit einer kalten, entsetzlichen Brutalitätauf ihn ein. Der andere, Paul Brock, versuchte ihn zu bremsen, aber Matt war nicht zu bremsen, und schließlich war der arme Ed nur noch ein totes Etwas auf dem Boden. Dann fiel Matt über Pam her, und danach sperrte er sie und die Kinder gefesselt und geknebelt in die Schlafzimmer, während die beiden auf Uhl warteten oder auf den Koffer oder auf was immer es war, das sie haben wollten.
    Dieser Teil der Geschichte schien ewig zu dauern und endete erst, als ein anderer Mann hinzukam, noch schneller und brutaler als Matt. Er schoss auf Matt und Paul und warf Paul die Kellertreppe hinunter. Dann kam er in Pams Zimmer, band sie unsanft, methodisch und ohne Mitgefühl los und sagte, als sie die Hände frei hatte, nur einen Satz: »Sie wissen, was Sie zu tun haben.« Dann war er fort.
    Sie wusste, was er von ihr erwartete und was sie anfangs ebenfalls von sich erwartete. Erst einmal wollte sie sich an Matt Rosenstein rächen, auf irgendeine schmerzhafte Weise. Dann die Polizei rufen, damit dieser Abschaum weggeschafft wurde, hinaus aus ihrem Haus, und sie wieder der Mensch sein konnte, der sie vor diesem Überfall gewesen war.
    Doch es gab kein Zurück. Ed war tot, und nichts konnte das ändern. Sie hatte das Böse gesehen und war seinen Launen ausgeliefert gewesen, und das würde sie nie vergessen können.
    Als Pam, nur in den Bademantel gehüllt, den sie übergezogen hatte, nachdem sie von dem Mann befreit worden war, durch diese fremde Kampfzone ging, die einst ihr Haus gewesen war, stieß sie als erstes auf Matt, der bewusstlos im Wohnzimmer lag, in der Nähe der Küchentür, auf der Stirn eine blutige Wunde. Und dann fand sie Paul, verletzt, aber bei Bewusstsein, rücklings hingestreckt am Fuß der Kellertreppe.
    Sie ging die Treppe hinunter, und Paul rief mit einer Stimme, so dünn, als käme sie von tief in einem Tunnel: »Helfen Sie mir!«
    » Ihnen helfen?« Wut packte sie, und sie baute sich vor ihm auf, bereit zu töten, zu verstümmeln. Sie wollte sich an diesen schrecklichen Männern rächen.
    Aber er sah zu ihr auf, sah ihr in die Augen und keuchte: »Ich hab versucht, ihn davon abzuhalten! Sie haben es doch gesehen, ich hab’s versucht, aber ich hab’s nicht geschafft. Lebt er

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