Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
im Seil hängen, einer von ihnen mehr als 150 Meter unter Schoening. Es war eine Sicherung wie aus dem Lehrbuch, die Fischer, der die Härte und Gefahren des K2 selbst erlebt hatte, großen Respekt abnötigte. Fischer charakterisierte Schoening als »unglaublich stark, als Mensch und als Bergsteiger – deshalb bin ich sehr zuversichtlich, daß er den Everest schaffen wird.«
Pete Schoenings achtunddreißigjähriger Neffe Klev Schoening aus Seattle sollte ihn begleiten. Klev, dessen Erfahrung am Berg nicht annähernd an die seines Onkels heranreichte, hatte noch nie einen Achttausender bestiegen. Als ehemaliger Abfahrtsläufer des nationalen Skiteams war er aber ein Spitzenathlet, der sich seine Kondition durch Klettertouren im Gebirge holte. Laut Fischer war er »groß, stark, jung und ein Draufgänger.«
Das Trio aus Colorado bestand aus Martin Adams, Charlotte Fox und Tim Madsen – alle von Neal Beidleman angeworben, den Fischer als Führer gewonnen hatte. Beidleman besaß laut Karen Dickinson nicht genügend Erfahrung. »Er hatte weder den Everest noch einen anderen wirklich großen Gipfel als Führer gemacht.« Er würde gratis mitgehen, nur gegen Ersatz der Unkosten; außerdem bekam er eine Provision für jeden Kunden, den er brachte. 6
Martin Adams erinnerte sich, daß Beidleman, der in seinen Anwerbemethoden nicht zimperlich war, nicht lockergelassen und ihm die Tour etliche Male angeboten hatte.
Adams, siebenundvierzig, ehemaliger erfolgreicher Wertpapierhändler an der Wall Street, hatte einige klassische Besteigungen in den Alpen und den Rocky Mountains aufzuweisen; außerdem war er auf dem Aconcagua, dem Mount McKinley und dem Kilimandscharo gewesen. Ein Achttausender fehlte ihm noch in seinem Repertoire. Im Mai 1993 kam er am Broad Peak bis auf 7000 Meter, und 1994 war er bei der Makalu-Expedition mit Beidleman und Boukreev auf einer Höhe von 7400 Meter umgekehrt.
Für eine Besteigung des Everest wollte Adams das Beste, was es für Geld gab. Als er hörte, daß Boukreev einer der Führer war, die Mountain Madness unter Vertrag hatte, entschloß er sich zur Teilnahme und handelte einen Preis von 52000 Dollar aus. »Mir gefällt es, wie Toli es macht. Er nervt einen nicht. Er sagt einem etwas klar und deutlich. Toli ist immer Toli, er quatscht nicht groß herum.« Adams wollte keine Club-Med-Klettertour. Er kannte die Gefahren des Bergsteigens in extremer Höhe und setzte auf Boukreevs Erfahrung und Urteilsvermögen. »Darauf vertraute ich, als ich meinen Scheck abschickte. Ich wußte, daß meine Chancen auf einen Gipfelsieg gewaltig stiegen, wenn Toli mit von der Partie war.«
Charlotte Fox, achtunddreißig, aus Aspen und mit Beidleman befreundet, war für die Mountain-Madness-Expedition dank ihrer Qualifikation ein echter Gewinn. Sie hatte im Lauf ihrer Bergsteigerkarriere zwei Achttausender gemacht und sämtliche vierundfünfzig Gipfel über 14000 Fuß (ca. 4250 Meter) in Colorado. Anspruchslos und verläßlich, fügte sie sich in eine Gruppe gut ein. Für Fischer war sie ein wahrer Glückstreffer, da sie mit einem Minimalaufwand an Hilfe ans Ziel kommen würde. Charlotte kam am Berg allein zurecht.
Fox unterschrieb gemeinsam mit ihrem Freund Tim Madsen, dreiunddreißig, der wie sie Ski-Patrouillengeher im Snowmass-Skigebiet war. Der als Hochalpinist unerfahrene Madsen war in ausgezeichneter körperlicher Verfassung und verfügte über Bergerfahrung auf niedrigeren Gipfeln. Da beide wußten, daß für den Everest eine gute Vorbereitung notwendig war, absolvierten sie erst ein Intensivtraining in den kanadischen Rockies, ehe sie endgültig zusagten.
Der achte Kunde auf der Liste war Dale Kruse, fünfundvierzig, Zahnarzt aus Craig, Colorado. Er hatte als erster unterschrieben und den günstigsten Preis bekommen, da er praktisch den finanziellen Grundstock geliefert hatte, der es Fischer ermöglichte, die Mountain-Madness-Expedition zum Everest auf die Beine zu stellen. »Er bezahlte eineinhalb Jahre im voraus und sagte: ›Hier ist die Kohle, unternehmt alles Nötige.‹ Er bekam einen anständigen Rabatt, weil er mehr wie ein Partner war und uns half, die Sache anzukurbeln«, sagte Karen Dickinson.
Mit acht Teilnehmern hatten Fischer und seine Mitarbeiter bei ihren ersten Bemühungen, eine kommerzielle Everest-Expedition zu starten, ganze Arbeit geleistet, aber Fischer genügte das nicht. In einem Brief vom 29. Februar bat er seine Kunden: »Falls Sie jemanden kennen, der noch in letzter
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