Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Minute aufspringen möchte, dann soll er oder sie bitte so bald wie möglich anrufen.«
Die Entscheidung von Outside, Krakauer auf Rob Halls Teilnehmerliste zu setzen, hatte ein Loch hinterlassen, das Mountain Madness unbedingt stopfen wollte. Eine Lastminute-Anmeldung zum vollen Preis bedeutete zusätzliche 65000 Dollar – ein Beitrag, der dem Unternehmen sehr zugute kommen und vielleicht sogar den Ausschlag dafür geben würde, ob Fischer mit der Expedition Gewinn einfuhr. Mit dem Näherrücken des Abflugdatums für den Everest türmten sich die Rechnungen auf Karen Dickinsons Schreibtisch. Allein Henry Todds Sauerstoff kostete über 30000 Dollar. Aber weder Fischer noch Dickinson waren besonders optimistisch. Sie wußten, daß die Chance, einen Monat vor Start einen zusätzlichen Kunden anzuwerben, gering war; und die Chance, ein vollbezahltes Ticket an den Mann zu bringen, so gut wie aussichtslos. Ebensogut hätten sie auf ein sonniges Wochenende in West Seattle wetten können.
Die Teilnehmer waren insgesamt der Meinung, daß die Anwerbung gut gelaufen war. Adams zeigte sich sogar sehr beeindruckt. »Die Leute in diesem Team waren mindestens so qualifiziert und stark wie die zwei anderen Teams, mit denen ich im Himalaja unterwegs war.« Auch Lene Gammelgaard war begeistert, von einer Ausnahme abgesehen. Tatsächlich plagten sie Zweifel, ob sie mit den meisten anderen würde mithalten können. »Mein erster Eindruck war: ›Werde ich es schaffen? Sie alle sind so stark und so erfahren.«
Von Karens Begeisterung ausgenommen war Dale Kruse, den sie für einen fragwürdigen Everest-Kandidaten hielt. »Er hatte 1993 Fischers Expedition auf den Broad Peak mitgemacht und es nicht bis zum Gipfel geschafft. Ich wußte, daß Dale mit der Höhe nicht zurechtkam. Er ist sehr stark, aber in der Höhe hat er Probleme. Wäre er sich selbst gegenüber ehrlich gewesen, so hätte er sich keinen so hohen Gipfel vornehmen dürfen, weil er über 4000 Meter ständig unter Übelkeit litt.« Über die Beweggründe Fischers, ihn mitzunehmen, und darüber, was sie an seiner Stelle getan hätte, sagte Lene: »Es ging darum, Scott Fischer zu sein, ein netter Kerl, der den Leuten verschafft, was sie wollen, und der gleichzeitig ihr Geld will. Ich hätte Dale nicht mitgenommen. Ich hätte ihn mir vorgeknöpft und gesagt: ›Du gehst nicht mit. Lieber setze ich unsere Freundschaft aufs Spiel als dein Leben.‹« 7
Laut Henry Todd von Himalayan Guides werden manche Expeditionsveranstalter verdächtigt, auch Kunden mitfahren zu lassen, deren Tauglichkeit nicht einwandfrei feststeht. Sie streichen das Geld ein, obwohl von Anfang an so gut wie sicher ist, daß die Leute nicht die geringste Chance haben, es bis zum Gipfel zu schaffen. Über einen seiner Erzrivalen am Everest, einen amerikanischen Anbieter, sagte er: »Das gehört zu seinem Geschäftsgebaren. Dabei hat er seit zwei Jahren niemanden mehr nach oben (auf den Everest) gebracht!«
Fischers Entscheidung, Kruses Geld zu nehmen und ihn zur Teilnahme zu ermutigen, sieht Todd nicht so eng. »Man weiß nie, wer eine gute Leistung bringt und wer nicht. Es kann vorkommen, daß die besten Bergsteiger versagen, während andere, schwächere, es aufgrund ihrer Ausdauer schaffen. Das ist mir oft passiert. Es war jemand dabei, von dem ich dachte, wenn einer versagt, dann der, und dann ist er wie eine Eins den Berg hinauf. Das erlebte ich auf der Tour, die ich 1995 mit Anatoli machte. Mein stärkster Teilnehmer schaffte es nicht, und einer, den ich als schwach eingeschätzt hatte, war noch vor Anatoli auf dem Gipfel.« Aber Todd meinte auch: »Eine falsche Auswahl vor dem Aufbruch kann einen selbst und andere das Leben kosten. Man muß auf jeden Fall die richtigen Leute aussuchen. Da darf kein Irrtum passieren.«
5. Kapitel Der Weg zum Everest
Am 13. März flog Boukreev von Alma-Ata nach Delhi und weiter nach Kathmandu, wo er am 15. März eintraf. Die Ankunft weckte in ihm zwiespältige Gefühle. Einerseits freute er sich, weil von hier die Expedition ihren Ausgang nehmen sollte. Gleichzeitig aber brachte ihm das Wiedersehen mit der Stadt, die im Lauf weniger Jahre aus einem abgelegenen Nest zu einer Großstadt mit einer halben Million Einwohner angewachsen war, die Problematik dieses Booms zu Bewußtsein.
Die Luft Kathmandus, versetzt mit Staub und Dieselauspuffgasen, reizt die Lungen und kann Erkrankungen der Atemwege auslösen. In den Restaurants und Garküchen handelt man sich nicht
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