Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
Hubschrauberpiloten, der für Asian Airlines flog. Danilovi ist ein lustiger Kerl und ein Klasse Pilot. Fast täglich einen Gebirgsflug zu meistern ist in meinen Augen ebenso gefährlich wie der Beruf eines Bergführers an den höchsten Bergen der Welt. Ich bewundere ihn sehr.
Das Zusammensein mit seinen russischen Freunden war für Boukreev eine Möglichkeit, etwas aus seiner Heimat zu erfahren und die Muttersprache sprechen zu können. Von nun an würde er im Basislager und während des Auf- und Abstiegs zwei Monate lang fast ausschließlich von Amerikanern und Sherpas umgeben sein, die sich auf Englisch verständigten. In den letzten zwei Jahren hatte er zwar fleißig an dieser Fremdsprache gearbeitet und seit seinen ersten Expeditionen mit Amerikanern und Engländern, bei denen sich die Verständigung auf Handzeichen und ein simples Ja und Nein beschränkte, beachtliche Fortschritte erzielt. Trotzdem entgingen ihm bei Witzen, Klatsch und Geplauder oft Kleinigkeiten und Pointen. »Bei einem Bergführer kommt es mehr aufs Klettern als aufs Reden an«, äußerte er sich einmal zu einem Freund. Im weiteren Verlauf der Expedition würde sich herausstellen, daß das nicht unbedingt stimmte.
Am Sonntagabend, bevor Ngima und ich von Kathmandu zum Everest fliegen sollten, traf ich mich wieder mit Scott zum Abendessen. Diesmal war Lene Gammelgaard dabei, die aus Dänemark gekommen war, einige Tage vor den anderen Kunden, die aus den Staaten eintreffen sollten. Als wir einander vorgestellt wurden, erklärte sie, wir seien uns schon einmal begegnet: Frühjahr 1991, im Dhaulagiri-Basislager. Ehrlich gesagt, konnte ich mich nicht erinnern, da uns damals mehrere Trekker aus Dänemark besucht hatten. Ich wollte aber nicht unhöflich sein und tat so, als würde ich sie erkennen. Scott, der mithörte, wußte, daß ich schwindelte, und sagte halblaut und mit breitem Lächeln zu mir: »Anatoli, du bist schon sehr sonderbar.« Er hielt es wohl für ausgeschlossen, daß man eine so auffallende Person wie Lene vergessen konnte.
Ich entschuldigte mich und ließ Lene und Scott allein, um zurück ins Hotel zu gehen und alles für den morgigen Flug vorzubereiten. Scott lag daran, daß ich vor ihm und den Kunden an Ort und Stelle war und die Sherpas beim Aufbau unseres Basislagers beaufsichtigte. Außerdem sollte ich alles Nötige für die Errichtung der Hochlager in die Wege leiten.
Am 25. März, kurz nach dem Mittagessen, nahm Boukreevs Freund Sergei die Mountain-Madness-Fracht sowie Boukreev und den Sherpa Ngima an Bord seines russischen Transport-Helikopters und hob ab. Für die Passagiere gab es weder Tee noch Kaffee oder Cocktails, aber auch keine Notfallübungen, dafür Watte für die Ohren gegen den schrecklichen Lärm der Rotoren.
Nach einem Flug zwischen aufziehenden Wolken das Khumbu-Tal entlang erreichte Sergei nach einer knappen Stunde Syangboche und setzte in einfallendem Nebel zur Ladung an.
Der Nebel hinderte Sergei an der Rückkehr nach Kathmandu, so daß er sich entschloß, in Syangboche zu nächtigen. Ngima und ich stiegen nach Namche Bazar (3450 Meter) ab, wo ich die Nacht über bleiben wollte, um am nächsten Morgen zum Everest-Basislager aufzubrechen. Doch am 26. März regnete es den ganzen Tag. Die steilen Pfade, die von Namche Bazar nach Thyangboche (3860 Meter) führen, waren rutschig und stellten für Yaks und Träger ein ernstes Problem dar.
Auf dem Anmarschweg zum Everest-Basislager sollte es weitere Probleme geben. An vielen Stellen lag noch Schnee, oft meterhoch. Träger und Yak-Treiber, die nicht weiterkonnten, warteten in Unterkünften und Lagern, bis die Wege passierbar wurden.
Vorausgesetzt, das Wetter spielte mit, wollte ich den Treck zum Basislager in fünf Tagen schaffen, in kürzerer Zeit als sonst, da ich für diese Saison hart trainiert hatte. In Alma-Ata hatte ich zwei Viertausender in Rekordzeit innerhalb einer Woche gemacht, und im Vorjahr hatte ich über fünf Monate im Himalaja verbracht und dort drei Achttausender, darunter den Everest, bestiegen. Dieses Höhentraining ersparte mir die zehn bis zwölf Tage, die Scott und ich für unsere Kunden zur Anpassung vorgesehen hatten. Da einige direkt von Meeresniveau kamen, war dies die Mindestzeit, um sich zu akklimatisieren.
Schließlich konnte Boukreev am 27. März weiterziehen. Er ließ Namche Bazar hinter sich, stieg zum Fluß Dudh Kosi (3250 Meter) ab und ging dann wieder bergauf nach Thyangboche. Für die
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