Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
meisten Trekker bedeutet diese Strecke eine große Strapaze, und auch Boukreev kam müde an, ohne aber Nachwirkungen der Höhendifferenz zu Kathmandu zu spüren.
Als ich am nächsten Tag unterwegs an einem Wasserfall des Dudh Kosi Ed Viesturs und David Breashears mit ihrer IMAX-Crew traf, mußte ich mich beeilen weiterzukommen, um ihnen nicht ihre Panoramaeinstellung zu vermasseln. Am Abend erreichte ich Pangboche (4000 Meter), das schon an der Waldgrenze liegt, genoß von meiner Unterkunft aus den Sonnenuntergang am Everest und besuchte Ed Viesturs und seine schöne Frau.
Am 29. März gewann ich einen Kilometer an Höhe und stieß beim Aufstieg da und dort auf Yak-Karawanen, die sich trotz Schneeschmelze und Schlamm hinausgewagt hatten und von den Sherpas unter großen Mühen in Gang gehalten wurden. Sie kamen nur langsam und mühselig voran, da die Yaks oft einbrachen und stehenblieben, ohne sich zu rühren, bis man ihnen ihre Lasten abnahm, sie aus dem Schnee zog und auf festeren Untergrund führte.
Seine letzte Nacht auf der Trekkingsroute verbrachte Boukreev in Lobuche (4940 Meter) in einem von Sherpas betriebenen Gästehaus, in dem er sich mit den IMAX-Leuten das Lager teilte. Die ungeheizten Räume, in denen man sich auf einer erhöhten Schlafstelle zusammendrängte, waren wenig komfortabel, boten aber Schutz vor den Minustemperaturen, die draußen noch immer herrschten.
Am 30. März traf ich um etwa elf Uhr im Mount-Everest-Basislager ein. Mehrere Vorausteams wie das unsere waren vor den Expeditionsteilnehmern angekommen, um Teile des steinigen Geländes für ihre Lager abzustecken. Für die Sherpas, die die Lager errichten und den Umfang des Geländes jeder Expedition markieren sollten, standen schon einige Zelte. Meist reichen zur Kennzeichnung eines Standorts ein paar Zelte, diesmal aber hatte man sich nicht damit begnügt. Das Vorausteam von Rob Halls Adventure Consultants hatte eine besonders günstige Stelle großzügig markiert und auf einige Felsblöcke die Lettern NZ (für Neuseeland) gesprayt. Ich hatte schon vor meinem Abflug aus Kathmandu davon gehört und kannte auch die Witze, die man sich über die voraussichtliche Reaktion des engagierten Umweltschützers David Breashears erzählte. Da Rob Hall ebenfalls als umweltbewußt galt, waren sich alle einig, daß ein übereifriger Sherpa auf eigene Faust gehandelt haben mußte. Wer immer der Schuldige sein mochte, die Säuberung der Steine würde jedenfalls eine Heidenarbeit sein.
Auf dem Gelände des Mountain-Madness-Lagers war Tashi, ein junger Sherpa aus Pangboche und Freund Ngimas, schon seit einigen Tagen an der Arbeit. Seine Aufgabe war es, mit ein paar Hilfskräften aus Felsschotter eine erhöhte Basis aufzuschütten, damit unsere Zelte vor den Eiswasserpfützen, die sich an warmen Tagen bildeten, verschont blieben. Er hatte mit seinen Leuten auch Steinmauern für unsere Lagerküche errichtet und zwischen unseren Zelten begehbare Verbindungspfade angelegt, damit sich keiner den Knöchel brach.
Am Nachmittag stürzte ich mich an der Seite der Sherpas in die Arbeit und schuftete mit ihnen täglich bis zur Ankunft unserer Gruppe. Morgens um acht, wenn die Sonne die Zelte beschien, stand ich auf, trank dampfend heißen schwarzen Tee mit Milch und machte mich sofort an die Arbeit. Gegen zehn Uhr legten wir eine Pause ein und stärkten uns. Es gab Tschapati genannte Fladenbrote mit Eiern, Hafergrütze oder Tsampa, einen Gerstenbrei. Erst am Abend wurde »groß« gegessen: Reis, Linsen, Knoblauchsuppe und was die Träger an den Vortagen an frischem Gemüse gebracht hatten. Für viele Touristen ist das ein eintöniger Speisezettel, ich aber hatte mich in meinen Jahren im Himalaja daran gewöhnt und zog die einheimische Küche den ausgefallenen Fertigmenüs vor, mit denen sich die meisten Expeditionen eindecken. Kohlehydratreich und immer mit viel heißer Flüssigkeit genossen, ist die Sherpa-Kost ideal für die Anforderungen extremer Höhenlagen.
Die schwere Arbeit in großer Höhe gehörte zu meinem Akklimationsprogramm. Mir lag daran, durchtrainiert und aktiv zu bleiben und die Anpassung an die Höhe zu beschleunigen. Ich genoß den geregelten Tagesablauf und den Arbeitsrhythmus und war jeden Abend so rechtschaffen müde, daß ich sofort einschlief.
6. Kapitel Detailarbeit
Während Boukreev und die Sherpas im Basislager mit Vorbereitungen beschäftigt waren, warteten Lene Gammelgaard mit Fischer und seiner PR-Agentin Jane
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