Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
des Teams auf dem Weg zum Basislager informiert. Die Fans von Jane Bromets Berichten mußten sich damit abfinden, daß ihre Outside Online Site kurz nach dem Aufbruch von Kathmandu verstummt war. Zur entscheidenden Machtprobe war es in Lobuche gekommen. »Wir erreichten Lobuche, und Sandy, die richtig zickig wurde, sagte zu mir: ›Es kommt nicht in Frage, daß du das Telefon weiterhin benutzt. NBC will das Geschäft allein machen. Die Konkurrenz wäre zu groß, heißt es.«
Neal hatte mir durch den Khumbu-Telegrafen (d. h. die Sherpas) die Nachricht zukommen lassen, daß die Expedition am 6. April in Gorak Shep (5170 Meter) eintreffen würde. Ich war gespannt auf die Teilnehmer und auch darauf, wie es beim Treck gelaufen war. Da die Arbeit am Lager größtenteils getan war, stieg ich über den Khumbu-Gletscher ab. Ich brauchte zwei Stunden, da ich große Seen und Eisvorsprünge umgehen mußte, die sich während des Tauwetters gebildet hatten. Unterwegs traf ich Leute von Henry Todds Expedition. Ich erfuhr von ihnen, daß unser Sauerstoffvorrat endlich eingetroffen und mit einer Yak-Karawane bereits in die Nähe von Namche Bazar gelangt war. In Gorak Shep angekommen, erstattete ich zuerst Scott Fischer Bericht über die getane Arbeit. Dann begrüßte ich Neal, den ich seit meinem ersten Besuch in Amerika kenne. Anschließend wurde ich von Scott mit allen anderen bekanntgemacht. Für mich war es eine wichtige Erfahrung, da ich zwar einiges über die Leute wußte, mir aber lieber aufgrund ihres Äußeren und ihrer Haltung selber ein Bild mache. Auch in meiner Heimat richte ich mich nicht so sehr nach dem, was einer redet, sondern nach seinem Verhalten. Es gab noch vieles, was ich von unseren Kunden erfahren mußte. Nach allem, was ich wußte, mußten sie ziemlich hart trainiert haben.
So wußte ich, daß dies nicht Sandy Pittmans erster Versuch war, auf den Everest zu kommen. Ihr gesundes Aussehen in dieser Höhe ließ keine Zweifel daran, daß sie körperlich fit war. Lene Gammelgaard sah so gut aus wie in Kathmandu und befand sich auch psychisch in so guter Verfassung, daß ich ihr zutraute, als erste Dänin den Everest zu besteigen. Als sie jedoch erklärte, sie beabsichtige ohne zusätzlichen Sauerstoff zu klettern, regte sich Besorgnis bei mir. In Anbetracht ihrer mangelnden Höhenerfahrung hielt ich diesen Entschluß für unklug.
Charlotte Fox, die dritte Bergsteigerin unserer Gruppe, verfügte nach der Besteigung der Achttausender Cho Oyu (8153 Meter) und Gasherbrum II (8035 Meter) sowie des Aconcagua und McKinley über ausreichend Höhenerfahrung. Tim Madsen, ein hervorragender Skiläufer, besaß meines Wissens zwar keine, hatte jedoch zahlreiche niedrigere Gipfel im Westen Amerikas bestiegen und viele Skitouren unternommen.
Auch Klev Schoening war Skifahrer und hatte als ausreichende Vorbereitung Gipfel wie den Kilimandscharo und Aconcagua vorzuweisen. Seinen Onkel Pete Schoening respektierte ich als Bergsteiger. Ich konnte verstehen, daß es ihn reizte, als ältester unter den Bezwingern des Everest auf dem Gipfel zu stehen. Seinen Ehrgeiz bewunderte ich, seinem Alter aber stand ich mit einem gewissen Vorbehalt gegenüber.
Von Dale Kruse wußte ich, daß seine größte Leistung die Besteigung des 7000 Meter hohen Baruntse in Nepal war. Der Baruntse ist ein problemloser Berg in der Nähe des Makalu im Everest-Gebiet. Sein Schwierigkeitsgrad liegt deutlich unter dem des Everest, allein schon aufgrund der geringeren Höhe.
Mit Martin Adams, dem letzten Teilnehmer, hatte ich eine Expedition auf den Makalu gemacht. Da ich seine Ausdauer kannte und wußte, daß er unbedingt auf den Everest wollte, versprach ich, ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Nachdem ich mich mit allen Teilnehmern bekanntgemacht hatte, kehrte ich noch am gleichen Tag ins Basislager zurück und analysierte unterwegs im Geist sämtliche Teilnehmer. Meine Hauptsorge galt jenen, die noch nie einen Gipfel in extremer Höhe bezwungen hatten: Tim Madsen, Klev Schoening, Lene Gammelgaard und Dale Kruse. Um die 5000 Meter waren sie gut in Form, zeigten Kampfgeist und sahen rein äußerlich nicht aus, als hätten sie ernste Probleme mit ihrer Gesundheit oder ihrem »samochuvstvie«. 15 Ein endgültiges Urteil über ihre Tauglichkeit konnte ich mir erst erlauben, nachdem ich sie im Basislager und bei ihren ersten Vorstößen in größere Höhen beobachtet hatte.
Kondition und Tauglichkeit des Teams insgesamt machten mir ebenfalls Sorge.
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