Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest
verläßt.‹« 12
Konfrontationen, speziell mit Freunden, ging Fischer gegen den Strich. Jane Bromet sagte von ihm: »Er wollte nicht, daß sich jemand aufregt. Alle sollten sich rundherum wohl fühlen. Nichts war ihm verhaßter als Streitigkeiten. Er ging ihnen am liebsten aus dem Weg.« Fischers Stärke lag anderswo, behauptete Jane. Sie lag in der Fähigkeit, in den Bergen seine Erfahrung und seine natürlichen Talente zugunsten seiner Kunden einzusetzen und dafür zu sorgen, daß sie ihre Ziele erreichten. Manchmal ging er so weit, diese Ziele über die eigenen zu stellen. »Er wollte, daß sie (die Kunden) zu ihrem Triumph kämen«, sagte Jane Bromet. »Er wollte, daß sie die Erregung, die innere Kraft spürten, die es bedeutete, auf dem Gipfel des Mount Everest zu stehen und sein Ziel erreicht zu haben. Damit will ich sagen, daß er diesen Menschen, und wenn sie noch so untauglich waren, die Liebe zu den Bergen und zum Klettern auf einfühlsame, behutsame Weise nahebringen wollte. Für Scott spielte es keine Rolle, welche Motivation der Kunde hatte. Er sah es als seine Aufgabe an, eine Motivation zu schaffen, eine psychische vor allem. Er war wie ein Schiff, das mit voller Kraft voraus fahrend in seinem Kielwasser alles mitzieht. Seine Kunden wurden vom Sog seiner positiven, dynamischen Energie förmlich mitgerissen. Er verstand es, einem das Klettern und das damit verbundene erregende Erlebnis nahezubringen. Auch jemandem, der kaum seine Schnürsenkel selbst binden kann. ›Du schaffst es. Wir schaffen es‹, hieß es bei ihm immer. So einer war Scott Fischer.«
Das Reiseprogramm für die Teilnehmer aus den Vereinigten Staaten sah vor, daß sie am 23. März von Los Angeles aus starten und nach ein paar Tagen in Kathmandu am 28. März nach Lukla (2850 Meter) weiterfliegen sollten. Es war ein vernünftiger und auf Akklimatisation bedachter Plan, um die Kunden vor der Höhenkrankheit 13 zu bewahren. Sie stellt sich ein, wenn man zu schnell zu hoch hinaufsteigt und zu viele Höhenmeter hinter sich bringt, ehe der Körper sich an den geringeren Sauerstoffgehalt der Luft anpassen konnte.
Mit seiner Planung, anfangs nur bis Lukla auf 2850 Meter zu gehen, hielt Fischer sich an die gängige Regel: unter 3040 Meter beginnen und langsam höher steigen. Dieses Vorgehen wird von Höhenspezialisten empfohlen und ist auch in Trekking- und Kletterführern für den Himalaja beschrieben. 14
Kurz vor dem Start der Expedition gab Fischer eine Änderung bekannt. Anstatt die Teilnehmer per Helikopter nach Lukla bringen zu lassen, sollten sie mit dem Expeditionsgepäck fliegen, das noch nicht mit Boukreev und Ngima nach Syangboche befördert worden war.
Syangboche war das Dorf, in dem vier Tage zuvor Boukreev und Ngima gelandet waren. Für sie stellte der große Höhenunterschied zu Kathmandu kein Problem dar, bei den Kunden jedoch machte er sich sofort bemerkbar. Sandy Pittman berichtete in ihrer NBC World Wide Web Site: »Fast alle spüren die Nachwirkungen unseres plötzlichen Höhensprunges. Schon ein paar Schritte machen einen ganz atemlos.« Zusätzlich meldete sie, daß zwei Teilnehmer, die mit einer Magenverstimmung das Bett hüten mußten, sich diese vermutlich in Kathmandu zugezogen hatten. Zu den Betroffenen gehörte Lene Gammelgaard, die Kathmandu gemeinsam mit dem Team verlassen hatte. Karen Dickinson sollte nie zu ihrer geforderten Unterschrift kommen.
Wie Boukreev und Ngima treckte auch das Mountain-Madness-Team von Syangboche nach Namche Bazar, wo es die nächsten zwei Tage blieb und kleine Wanderungen unternahm, um sich zu akklimatisieren. Bei einigen ließen die Symptome der Höhenkrankheit nicht nach. Das ist für die ersten Tage nicht ungewöhnlich, jedoch ein erster Hinweis auf Probleme, wenn dieser Zustand längere Zeit anhält.
Viele griffen zu Diamox, einem Sulfo-Derivat, das es dem Körper ermöglicht, mehr Sauerstoff zu speichern, und seit langem als probates Mittel gilt. Ärzte empfehlen eine Einnahme aber nur gegen bereits auftretende Symptome der Höhenkrankheit, nicht zur Vorbeugung. Es kann die Krankheit nicht verhindern, wie der Hersteller in Broschüren warnt. »Zur Vermeidung von Höhenkrankheit empfiehlt sich ein allmählicher Aufstieg. Wird bei raschem Aufstieg Diamox eingenommen, so ist darauf zu achten, daß man bei Auftreten einer schweren Form von Höhenkrankheit trotzdem sofort absteigt.«
Dank Sandy Pittman wurden die Trekker via Internet fast täglich über den Fortschritt
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