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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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hatte fast keine Hoffnung mehr auf Rettung. Lene Gammelgaard weiß noch, daß sie, Klev Schoening, Beidleman und Madsen erwogen, sich auf eigene Faust zum Lager IV durchzuschlagen, sich aber nicht einigen konnten, in welche Richtung sie gehen sollten. Sie sagte, daß sie immer mehr auf Schoening setzte, da Beidleman völlig fertig war. »Ich glaube nicht, daß Neal zurück ins Lager gefunden hätte, wenn Klev nicht gewesen wäre. Er wäre bei den anderen geblieben, weil er keinen Schimmer hatte, wo er war.«
    Tatsächlich war es Schoening, der während einer kurzen Windpause behauptete, er könne sich orientieren und wüßte, in welcher Richtung das Lager sei. Beidleman erinnerte sich: »Ich glaube, Klev ergriff die Initiative. Er war absolut sicher, daß er wisse, wo sich das Lager befand. Wir entschlossen uns irgendwie – ich weiß nicht mehr genau, wie, wir sind wohl einfach alle aufgestanden -, mit ihm zu gehen. Wir versuchten, alle auf die Füße zu bringen. Die Japanerin hing noch immer an meinem Arm. Ich konnte mich fast nicht rühren oder umsehen. Wie die anderen versuchte ich, die Leute hochzuziehen. Die einzige, die ich an der Farbe ihrer Jacke erkannte, war Sandy. Alle anderen waren für mich nur Körper und Stimmen. Als wir auf den Beinen waren, setzten wir uns in Bewegung.
    Es gab nur eine Stirnlampe, die uns leuchtete, ich weiß nicht, wer sie hatte. Ich folgte mit der Japanerin und noch jemandem unter oder hinter meinem rechten Arm. Immer wieder fragte ich Klev: ›Bist du dir sicher? Bist du auch ganz sicher?‹ Er war es. Er schien sich völlig auszukennen, wußte, welcher Berg welcher war und in welche Richtung wir gehen mußten. Es war genau entgegengesetzt zu jener, aus der wir gekommen waren. Wir stiegen ein Stück bergauf, und plötzlich war auch mir wieder alles klar. Während wir so unterwegs waren, zeigten die Strapazen immer gravierendere Folgen. Es gab welche in unserer Gruppe, die sich noch rühren konnten, andere konnten es kaum noch.
    Laut Lene Gammelgaard unterschied sich Klev Schoening von einigen anderen, die ihre Panik verständlicherweise »kaum beherrschen« konnten. Schoening bewahrte Ruhe und behielt einen Blick für die Realität. Seine Haltung war: »Okay, keine Panik, keine Angst, keine Katastrophe. Wie können wir die Situation bewältigen?«
    Wie bei der Rettung von Ngawang Topche war Schoening der Situation gewachsen, und sein Vorgehen trug dazu bei, in der Gruppe Ruhe und Ordnung zu wahren.
    »Wir brachten alle auf die Füße«, erinnerte sich Schoening. »Erst versuchten wir, uns die Beine zu vertreten, und taten alles mögliche, um sie in Bewegung zu bringen. Einige kamen erst nicht hoch, aber wir versuchten alle dazu zu bringen, daß sie ihre Beine gebrauchten, damit sie weitergehen konnten. Charlotte, die Japanerin und Sandy konnten zwar stehen, aber nicht ohne Hilfe gehen. Deshalb stützen wir sie. Meiner Erinnerung nach hielt ich anfangs Charlotte und die Japanerin. Sehr rasch merkte ich, daß es nicht ging, weil ich meist auf den Knien lag und versuchte, die beiden wieder aufzurichten. Ich weiß noch, daß wir die verschiedensten Möglichkeiten ausprobierten. Ich mußte schließlich die Japanerin liegenlassen, und ich glaube, daß Tim Charlotte aufhob.«
    Während Schoening sich bemühte, Fox und Namba in Bewegung zu setzen, kämpfte Beidleman mit Sandy Pittman. Er versuchte, den Arm um sie zu legen und sie aufzustellen, aber sie protestierte, sie könne nicht laufen. Völlig entnervt schrie Beidleman sie an: »Wenn du nicht laufen kannst, dann krieche, verdammt nochmal!«
    Sandy Pittman hat die Situation ähnlich in Erinnerung. »Er (Beidleman) sagte: ›Wir müssen uns beeilen. Das ist unsere einzige Chance. Jetzt ist eine Pause (im Unwetter), und wenn du nicht gehen kannst, mußt du kriechen.‹ Was ich auch tat. Ich dachte, eine gute Idee, denn kriechen konnte ich, aufrecht gehen aber nicht. Der Wind warf mich immer wieder um.«
    Sandy kroch hinter Beidleman und den anderen her, bis sie einen Kamm erreichten und eine kleine Erhebung überwanden. Nun verlor sie die Stirnlampe aus den Augen, die einer aus ihrer Gruppe trug. »Meine einzige Hoffnung war, mich nun an einen anderen zu halten, und als ich wieder ein Licht sah, rief ich: ›Hallo, hallo‹. Es war Tim.«
    Madsen, der hinsichtlich Kraft und Ausdauer mit den anderen hätte mithalten können, die einen Vorstoß zum Lager unternahmen, hatte sich selbstlos entschlossen, bei Charlotte Fox zu bleiben. »Ich

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