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Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
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hatte Charlotte auf dem Arm, am Kopf, auf dem Rücken, wo auch immer, und ich konnte nicht sehen, wohin ich ging. Ich hatte auch nicht die Kraft, sie ins Lager zu zerren oder zu tragen. Sie wollte nicht gehen, deshalb setzten wir uns kurz hin. Dann hörte ich zehn, fünfzehn Meter hinter uns ein Stöhnen – es war die Japanerin. Ich ging zurück und schleppte sie zu Charlotte. Mike (Groom) war immer noch an Beck (Weathers) angeseilt. Auch Beck tat sich mit dem Gehen sehr schwer.
    Da ich annahm, daß Mike noch einigermaßen bei Kräften war, sagte ich zu ihm, daß er mit den anderen ins Lager gehen und Hilfe holen müsse. Wir würden uns nicht vom Fleck rühren, in der Hoffnung, jemand würde uns holen kommen. Wir waren zu fünft, nachdem auch Sandy zurückgekommen war – ich, Sandy, Charlotte, die Japanerin und Beck. Wir versuchten nun dasselbe, was wir zuvor in der größeren Gruppe gemacht hatten: uns zusammenzukauern, wachzubleiben und einander zu wärmen. Wie spät es war, weiß ich nicht.«

19. Kapitel Das Rettungs-Protokoll
     
    Lene Gammelgaard erinnerte sich, daß ursprünglich sie und Schoening es waren, die den Versuch unternehmen wollten, das Lager zu finden. »Klev und ich blieben immer zusammen. Neal ging herum, mal hierhin, mal dorthin. Ich wußte zwar nicht, wo das Lager war, aber ich dachte, okay, ebensogut kann ich mich auf Klev verlassen, die Chance ist genau so gut wie jede andere. Dann sah ich ein Licht, ergriff die Initiative und sagte zu Klev: ›Das ist ein Licht vom Lager. Wir müssen uns links halten. Dort ist es!‹ Wir gingen in diese Richtung, und es stellte sich heraus, daß es Anatolis Stirnlampe war.«
    Wie alle anderen war Lene an der Grenze zur totalen Erschöpfung. Allein das Hochgefühl, überlebt zu haben, hielt sie noch aufrecht. »Boukreev sah mich nur an, und es war kein Wort nötig«, sagte sie. »Als er sich nach meinen Steigeisen bückte, wußte er, wie ernst es war.«
    Von diesem Punkt an diktierte Anatoli Boukreev seinem Co-Autor Weston DeWalt kurz nach seinem Eintreffen in den Vereinigten Staaten den Ablauf der Ereignisse, wie er sie in Erinnerung hatte. Um die Authentizität seines Berichts zu gewährleisten, werden die Antworten Boukreevs, die er auf Englisch und ohne Dolmetscher formulierte, originalgetreu wiedergegeben. Die Kommentare sollen nur eventuelle Unklarheiten ausräumen.
     
    DeWalt: Was hast Du gemacht, als du sahst, daß sie kommen?
    Boukreev: Ich sah genau die Lämpchen, und ich sah Lene und Klev. Ich sah, daß ihre Gesichter so vereist waren, daß man die (Sauerstoff)Maske nicht sehen konnte. Ich nehme die Steigeisen von Lene und lasse sie vor dem Zelt. Ich sehe, daß sie nichts mehr tun konnten, deshalb nehme ich ihnen Steigeisen ab und alles andere und helfe Lene und Klev ins Zelt. Ich sah, daß es sehr ernst war, was da passierte. Sie sagten…
    DeWalt: Hast du ihnen Sauerstoff gegeben?
    Boukreev: Ja, ein bißchen von dem, was ich hatte, drei Flaschen – eine Martin, eine Klev, eine Lene. Aus dem Zelt. Ich gebe sie ihnen, und so war die Situation. Ich weiß, daß ich mich fertig machen muß. Ich ziehe Schuhe an, aber es geht schwer. Ich suchte auch die Schuhe zu finden, finde sie und ziehe sie über, die großen Schuhe. Vorher war ich ohne draußen. Und dann war ich fertig.
     
    Einen der drei Sauerstoffbehälter, die er von Pemba bekommen hatte, hatte Boukreev bereits Martin Adams gegeben. Die anderen zwei gab er Schoening und Gammelgaard, die Schuhe, die er suchte, waren die Überschuhe, die er brauchte, um wieder in den Sturm hinausgehen zu können.
     
    DeWalt: Du hast also wieder deine Kletterstiefel angezogen?
    Boukreev: Ja. Wahrscheinlich – ich kann nicht sagen, um welche Zeit die Leute kamen. Jetzt ist es schwer zu sagen. Sie sagten, etwa….
    DeWalt: Zwölf bis halb eins?
    Boukreev: Ich nehme meine Schuhe und wollte hinaus.
    Es ist eins. Ich denke, sie kamen vielleicht um elf, halb zwölf. Ich war sehr langsam, weil ich bei Klev Schoening war, ich sprach mit den Leuten, gab ihnen Tee, Sauerstoff, Schlafsack, alles. Es war viel Zeit. Wahrscheinlich halb zwölf, bis die letzten kommen, glaube ich, weil ich jetzt selbst zu verstehen versuche. Ich denke, etwa elf oder zwölf. Aber hinaus bin ich gegen eins.
    DeWalt: Was hast du über den Zustand der Leute erfahren?
    Boukreev: Lene sagt – Sandy stirbt, vielleicht auch Charlotte, und ich denke: »Diese Leute erfrieren, man muß schnell hinaus, vielleicht…«
    DeWalt: Sie sagte, Sandy und

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