Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest

Titel: Der Gipfel - Tragoedie am Mount Everest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston Dewalt
Vom Netzwerk:
hinaufgehen.«
    DeWalt: Du hast ihn nicht gesehen? Er hat dir aus seinem Zelt zugerufen?
    Boukreev: Ja, ja. Nur – »Anatoli, du mußt hinaufgehen.« Und ich weiß jetzt, daß Scott in schwieriger Situation ist.
    DeWalt: Was hast du dann gemacht?
    Boukreev: Ich gehe ins Zelt und sage wieder: »Lene, Klev, muß ich hinauf oder muß ich über das ebene Stück?« Sie sagen: »Nur über das große flache Stück.« »Ist dort Scott?« frage ich. »Nein, Scott nicht.« Jetzt wird mir langsam alles klar. Scott ist am Berg, die Gruppe ist unten, an verschiedenen Stellen.
    DeWalt: Und anschließend bist du ins Zelt, ins Sherpa-Zelt, und hast Sauerstoff geholt?
    Boukreev: Ich ging zu Lopsang und sagte: »Lopsang, du mußt mit mir gehen, einige von unseren Kunden sind vielleicht tot, wir müssen die Leute tragen.« Und ich habe ihn nicht gesehen. Wieder sagte er: »Anatoli, du mußt hinauf, Scott sagte, er wartet auf dich, er schätzt dich, er erwartet, daß du ihm hilfst. Du mußt Sauerstoff und heißes Getränk bringen.«
    DeWalt: Er antwortete nicht, er redet nur so vor sich hin?
    Boukreev: Er sagt, was ihm durch den Kopf geht. Er versteht nicht, was ich sage, er hört nur meine Stimme und sagt mir genau was – dasselbe, Wiederholung. Und ich muß fünf Leute finden – und bin nur einer. Ich gehe in sein Zelt, das Sherpa-Zelt. Ich frage Pemba nach Sauerstoff. Und ich verstehe nun nach dem zweiten Gespräch mit Lene, was mit Beck Weathers und Yasuko Namba ist. Und ich frage: »Okay, Pemba, du mußt Sauerstoff für mich auftreiben. Ich gehe in ein anderes Zelt, in Rob Halls Zelt, vielleicht wird mir dort jemand helfen.« Und ich gehe zu anderem Zelt – eines von Rob Halls Expedition, mache eine Klappe auf und versuche es. »He, kann mir jemand helfen?« Keine Antwort. Ich sage: »Yasuko Namba, Beck Weathers brauchen Hilfe – jemand – kann mir jemand helfen?« Keine Antwort. Anderes Zelt. Dasselbe. Wieder anderes, auch dasselbe. Und dann gehe ich hinein – ich sah ein Sherpa-Zelt von Rob Hall. Ich mache auf, und jemand spricht mit mir. Und ich sage: »Yasuko Namba und Beck Weathers brauchen Hilfe. Jemand von eurer Expedition soll mit mir gehen und ihnen helfen.« Und ich sage: »Okay, macht euch bereit.« Dann gehe ich zum Zelt der Taiwanesen – niemand. Keine Antwort.
     
    Lopsang hatte Scott Fischer ein Versprechen gegeben, als er ihn zurückgelassen hatte. Er hatte zu ihm gesagt: »Okay, bitte, du bleibst hier. Ich lasse dich hier zurück. Du bleibst. Ich schicke Sherpa mit Sauerstoff und Tee.« Vor Schmerzen stöhnend hatte Fischer zu Lopsang gesagt: »Du gehst runter. Du gehst runter.« Lopsang hatte ihn beruhigt: »Bitte, Scott, du nicht weggehen, du bleibst hier. Ich schicke Sherpa und Anatoli. Ich schicke Sauerstoff und Tee.«
    Wie Boukreev sah auch Lopsang, daß keiner von den Mountain-Madness-Sherpas auf den Berg konnte oder wollte. Er rechnete nun mit Boukreev, aber dieser hatte erfahren, daß fünf weitere Kunden unten angelangt waren, drei davon von der Mountain-Madness-Expedition. Allein konnte er unmöglich alles bewältigen. Er brauchte Hilfe, deshalb machte er eine Runde durch alle Zelte in der Nähe: bei Rob Halls Kunden, bei Halls Sherpas und bei den Taiwanesen.
    Rob Halls Expeditionsteilnehmer schliefen entweder und konnten oder wollten Boukreev in seinen Bemühungen nicht unterstützen. Lou Kasischke war total außer Gefecht gesetzt, er war schneeblind und noch immer allein im Zelt. Seine Zeltgenossen Andy Harris, Beck Weathers, und Doug Hansen waren um ein Uhr morgens noch immer nicht im Lager eingetroffen.
    Als Boukreev unter den Hall-Leuten im Lager vergeblich Hilfe suchte, war es an diesem Abend das zweite Mal, daß ein Hilferuf kein Gehör fand. Mike Groom, der Beck Weathers und Yasuko Namba beim »Haufen der Verzweifelten« zurückgelassen hatte und mit Schoening, Gammelgaard und Beidleman zurückgekehrt war, hatte eine Stunde zuvor ebenso vergeblich einige Leute vom Adventure Consultants Team angefleht, ihre Gefährten zu retten.
    Auch bei den Taiwanesen rührte sich nichts. Niemand konnte oder wollte helfen.
     
    DeWalt: Was nun, ohne Hilfe?
    Boukreev: Ich gehe wieder zu Pemba. »Pemba, hast du heißes Getränk?« »Ich habe heißes Getränk.« »Wo ist Sauerstoff?« Er sagt: »Konnte keinen Sauerstoff finden.« »Wieso nicht? Ich brauche Sauerstoff, ein paar Flaschen; Kunden brauchen Sauerstoff.« Er sagte: »Alle Flaschen leer.« Jetzt versuche ich Sauerstoff zu finden. Ich beeile mich.

Weitere Kostenlose Bücher