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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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dran, und Henry Todd hat uns ausmanövriert. Diese Runde ging an ihn.«
    Obschon für die Beteiligten nervenaufreibend, war an der Sache nichts Ungewöhnliches. Der Expeditionskommerz mit all seinen verborgenen Mechanismen, die den Kletterer auf den Berg bringen, birgt nicht weniger Dramatik als der Kauf eines Gebrauchtwagens. Haie tummeln sich in allen Gewässern. Jeder will den besten Preis. Alles steht und fällt mit der Rechnung.
    In einem an Boukreev gerichteten Bestätigungsschreiben faßte Karen Dickinson die Bestellung zusammen: »Betrifft Sauerstoff. Wir haben von Henry Todd folgendes gekauft: 55 Drei-Liter-Flaschen von Poisk, 54 Vier-Liter-Flaschen von Zvesda, 14 Regler, 14 Masken.« Eine Auflistung von Zahlen. Zahlen, die man später genau unter die Lupe nehmen würde, Zahlen, deretwegen man später endlose, schmerzliche Fragen stellen würde.
    Am 9. Februar faxte Fischer, der endlich wieder in seinem Mountain-Madness-Büro saß, eine persönliche Antwort an Boukreev. Als erstes gab er seiner Freude über Anatolis Rolle bei der Expedition Ausdruck. »Ich finde es toll, daß wir dich als Führer für die Tour auf den Everest haben. Wir besitzen damit ein großes Leistungspotential. Ich erwarte mir einen vollen Erfolg. Und wenn wir diese Expedition gut hinter uns bringen, kannst Du auch auf viele andere Gipfel führen. Klar?« Das war die Einleitung, verständnisvoll und freundlich. Erst in den nächsten Sätzen kam er auf den Punkt zu sprechen, der ihn beunruhigte. »Vielleicht ist an den Gerüchten nichts dran, aber ich hörte von Freunden in Dänemark, daß du Michael Joergensen auf den Lhotse führen möchtest. Anatoli, ich zahle dir nicht einen Haufen Geld, damit du dir auf dem Lhotse ein Nebeneinkommen verschaffst. Du stehst bei mir für die Dauer der Everest-Saison unter Vertrag. Wenn du eine Partie auf den Lhotse führst, kannst du Mountain Madness abschreiben.«
    Michael Joergensen, 1995 Teilnehmer an Henry Todds Himalyan Guides-Everest-Expedition, die Boukreev geführt hatte, war als erster Däne auf dem Everest-Gipfel gestanden. Er und Boukreev hatten von einer gemeinsamen Lhotse-Besteigung gesprochen, ohne definitiv etwas zu vereinbaren. Boukreev hatte nie die Absicht gehabt, mit Joergensen etwas abzumachen, ohne die Sache vorher mit Fischer zu besprechen. Eine Gelegenheit dazu hatte sich aber nie ergeben, weil Fischer ständig unterwegs war. Da er wußte, daß Fischer unmittelbar nach dem Everest eine Besteigung des Manaslu mit Rob Hall, Ed Viesturs und anderen plante, hatte er angenommen, daß er dann frei sein würde, aber Fischer sah das anders.
    Fischer, für seine Kompromißbereitschaft bekannt, hatte für Boukreev einen Vorschlag parat. Er glaubte, einige der für den Everest gewonnenen Kunden für eine anschließende Besteigung des Lhotse interessieren zu können. »Was hältst du von diesem Angebot?« faxte er. »Du übernimmst die Führung auf den Lhotse für die paar Kunden, die wir dafür gewinnen konnten, und wir übernehmen die Kosten für die Genehmigung und geben dir zusätzlich 3000 Dollar. Wenn Michael möchte, daß du ihn führst, dann wird er sich direkt an Mountain Madness wenden müssen.«
    Boukreev, der nie ein Problem daraus hatte machen wollen, faxte sein Einverständnis zurück und nannte Fischer die Namen der zwei Bergsteiger, die vielleicht für den Lhotse in Frage kamen. Boukreev, in kapitalistischen Gewässern noch fremd, hatte das Gefühl, gegen den Strom zu schwimmen. Nur in den Bergen, in Eis und Höhe, war er wirklich in seinem Element. Dort stand er in dem Ruf, unfehlbar zu sein.

4. Kapitel Die Kunden
    Bis zum 29. Februar hatte Mountain Madness acht Teilnehmer für das Unternehmen gewinnen können. In einem persönlichen Schreiben an jeden einzelnen stellte Fischer fest: »Das wird ein großartiges Kletterteam. Wir sind nicht nur ein starker Haufen, es sieht ganz so aus, als würden auch die einzelnen Charaktere gut zusammenpassen.«
    Lene Gammelgaard hatte zwar das nötige Geld noch nicht beisammen, wollte aber die Hoffnung nicht aufgeben. Fischer, der sie unbedingt dabeihaben wollte, beruhigte sie. Sie solle sich keine Sorgen machen, sagte er zu ihr. »Ich möchte, daß du mitkommst, und deshalb werden wir uns schon irgendwie einig werden.«
    Von Sandy Hill Pittman abgesehen, hatte nicht ein einziger der Interessenten den vollen Preis von 65.000 Dollar bezahlt. Karen Dickinson sagte: »Sandy zahlte für ihren Vater, der sie auf dem Treck begleiten sollte, und

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