Der Gipfel
verläßlich, fügte sie sich in eine Gruppe gut ein. Für Fischer war sie ein wahrer Glückstreffer, da sie mit einem Minimalaufwand an Hilfe ans Ziel kommen würde. Charlotte kam am Berg allein zurecht.
Fox unterschrieb gemeinsam mit ihrem Freund Tim Madsen, dreiunddreißig, der wie sie Ski-Patrouillengeher im Snowmass-Skigebiet war. Der als Hochalpinist unerfahrene Madsen war in ausgezeichneter körperlicher Verfassung und verfügte über Bergerfahrung auf niedrigeren Gipfeln. Da beide wußten, daß für den Everest eine gute Vorbereitung notwendig war, absolvierten sie erst ein Intensivtraining in den kanadischen Rockies, ehe sie endgültig zusagten.
Der achte Kunde auf der Liste war Dale Kruse, fünfundvierzig, Zahnarzt aus Craig, Colorado. Er hatte als erster unterschrieben und den günstigsten Preis bekommen, da er praktisch den finanziellen Grundstock geliefert hatte, der es Fischer ermöglichte, die Mountain-Madness-Expedition zum Everest auf die Beine zu stellen. »Er bezahlte eineinhalb Jahre im voraus und sagte: ›Hier ist die Kohle, unternehmt alles Nötige.‹ Er bekam einen anständigen Rabatt, weil er mehr wie ein Partner war und uns half, die Sache anzukurbeln«, sagte Karen Dickinson.
Mit acht Teilnehmern hatten Fischer und seine Mitarbeiter bei ihren ersten Bemühungen, eine kommerzielle Everest-Expedition zu starten, ganze Arbeit geleistet, aber Fischer genügte das nicht. In einem Brief vom 29. Februar bat er seine Kunden: »Falls Sie jemanden kennen, der noch in letzter Minute aufspringen möchte, dann soll er oder sie bitte sobald wie möglich anrufen.«
Die Entscheidung von Outside, Krakauer auf Rob Halls Teilnehmerliste zu setzen, hatte ein Loch hinterlassen, das Mountain Madness unbedingt stopfen wollte. Eine Lastminute-Anmeldung zum vollen Preis bedeutete zusätzliche 65.000 Dollar – ein Beitrag, der dem Unternehmen sehr zugutekommen und vielleicht sogar den Ausschlag dafür geben würde, ob Fischer mit der Expedition Gewinn einfuhr. Mit dem Näherrücken des Abflugdatums für den Everest türmten sich die Rechnungen auf Karen Dickinsons Schreibtisch. Allein Henry Todds Sauerstoff kostete über 30.000 Dollar. Aber weder Fischer noch Dickinson waren besonders optimistisch. Sie wußten, daß die Chance, einen Monat vor Start einen zusätzlichen Kunden anzuwerben, gering war; und die Chance, ein vollbezahltes Ticket an den Mann zu bringen, so gut wie aussichtslos. Ebensogut hätten sie auf ein sonniges Wochen ende in West Seattle wetten können.
Die Teilnehmer waren insgesamt der Meinung, daß die Anwerbung gut gelaufen war. Adams zeigte sich sogar sehr beeindruckt. »Die Leute in diesem Team waren mindestens so qualifiziert und stark wie die zwei anderen Teams, mit denen ich im Himalaja unterwegs war.« Auch Lene Gammelgaard war begeistert, von einer Ausnahme abgesehen. Tatsächlich plagten sie Zweifel, ob sie mit den meisten anderen würde mithalten können. »Mein erster Eindruck war: ›Werde ich es schaffen? Sie alle sind so stark und so erfahren.‹«
Von Karens Begeisterung ausgenommen war Dale Kruse, den sie für einen fragwürdigen Everest-Kandidaten hielt. »Er hatte 1993 Fischers Expedition auf den Broad Peak mitgemacht und es nicht bis zum Gipfel geschafft. Ich wußte, daß Dale mit der Höhe nicht zurechtkam. Er ist sehr stark, aber in der Höhe hat er Probleme. Wäre er sich selbst gegenüber ehrlich gewesen, so hätte er sich keinen so hohen Gipfel vornehmen dürfen, weil er über 4000 Meter ständig unter Übelkeit litt.« Über die Beweggründe Fischers, ihn mitzunehmen, und darüber, was sie an seiner Stelle getan hätte, sagte Lene: »Es ging darum, Scott Fischer zu sein, ein netter Kerl, der den Leuten verschafft, was sie wollen, und der gleichzeitig ihr Geld will. Ich hätte Dale nicht mitgenommen. Ich hätte ihn mir vorgeknöpft und gesagt: ›Du gehst nicht mit. Lieber setze ich unsere Freundschaft aufs Spiel als dein Leben.‹« 7
Laut Henry Todd von Himalayan Guides werden manche Expeditionsveranstalter verdächtigt, auch Kunden mitfahren zu lassen, deren Tauglichkeit nicht einwandfrei feststeht. Sie streichen das Geld ein, obwohl von Anfang an so gut wie sicher ist, daß die Leute nicht die geringste Chance haben, es bis zum Gipfel zu schaffen. Über einen seiner Erzrivalen am Everest, einen amerikanischen Anbieter, sagte er: »Das gehört zu seinem Geschäftsgebaren. Dabei hat er seit zwei Jahren niemanden mehr nach oben (auf den Everest)
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