Der Gipfel
Gesundheitszustand und die Gipfeltauglichkeit einiger Teilnehmer sehr besorgt geäußert. Adams, der wie sie dachte, hatte ihr geraten, sich von Fischer von jeglicher Verantwortung entbinden zu lassen. Dr. Hunt sollte ihre Verantwortung nie loswerden.
In den frühen Morgenstunden des 6. Mail brachen alle Kunden und Beidleman vom Basislager auf und machten sich auf den Weg zum Lager II. Während Boukreev im Essenszelt beim Frühstück saß, gingen die Kletterer daran, die gefährlichen Zacken des Eisbruchs zum hoffentlich vorletzten Mal hinter sich zu bringen. Wenn das Glück ihnen gewogen war, würde der Abstieg in Festtagsstimmung erfolgen. Der Gipfel würde hinter ihnen und der Heimweg vor ihnen liegen.
Ich traf Scott nach dem Frühstück, weil er noch geblieben war, um alle anderen vorausgehen zu lassen, und fragte ihn, oh ich die Gruppe begleiten sollte. Lieber wäre es mir gewesen, ich hätte Kräfte sparen und mit meinem persönlichen Tempo zum Lager II aufsteigen können. Als Scott wissen wollte, wann ich losginge, sagte ich, daß ich duschen und noch ein wenig ruhen wolle, um dann später am Vormittag zu starten. Wir beließen es dabei, und wenig später verließ Scott das Lager.
Nun lag der Mountain-Madness-Bereich im Basislager praktisch verlassen da. Ohne vom normalen Tagesablauf abgelenkt zu werden, hatte Boukreev Zeit, um nochmal darüber nachzudenken, welchen Eindruck die Teilnehmer vor dem Aufbruch gemacht hatten. Beidleman hustete nicht mehr und sah gesund und fit aus, aber Fox und Madsen gaben weiterhin Anlaß zur Sorge.
Mir war nun klar, daß Scott beabsichtigte, Charlotte Fox und Tim Madsen auf den Gipfel mitzunehmen, obwohl sie ihren Akklimatisationsplan nicht eingehalten und noch keine Nacht in Lager III verbracht hatten. Ich konnte nur hoffen, daß Scott sich diese beiden und auch alle anderen in Lager II genauer ansehen würde. Auf der Höhe von Lager II meldet sich bei den Teilnehmern vor dem Gipfelvorstoß meist irgendein Leiden – Husten, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme –, das von ihnen nicht immer objektiv bewertet wird, weil nun sehr viel auf dem Spiel steht. Halten sie mit diesem Problem hinterm Berg, können sie sich und die anderen gefährden.
Boukreev wußte nicht, daß Tim Madsen und Charlotte Fox sich selbst Sorgen machten wegen ihrer mangelnden Akklimatisation. Ein paar Tage vor dem Gipfelsturm hatten sie jemandem aus der Gruppe ihre Bedenken gegen den 10. Mai als Aufstiegstag anvertraut: »Wir saßen da und sprachen über den Zeitplan. Ich meinte: ›Ihr müßt Scott sagen, daß ihr noch nicht gehen wollt, daß ihr warten und es erst versuchen wollt, nachdem ihr euch akklimatisiert habt.‹ Das taten sie dann auch. Und Scott sagte: ›Tja, wir sind aber nicht auf zwei Versuche eingestellt. Es gibt nur einen einzigen.‹ Das kam für alle als große Überraschung. Da hatten wir das viele Geld bezahlt, und jetzt sollten wir nur eine einzige Chance haben! Ich dachte mir, das hat im Prospekt aber ganz anders ausgesehen 24 .«
Kurz nach elf aß Boukreev noch eine Kleinigkeit. Er schätzte, daß er vier Stunden bis zum Lager II brauchen würde und ihm vor Einbruch der Dunkelheit noch ausreichend Zeit blieb, alle Nachzügler aufzusammeln. Als er nach dem Essen losmarschierte, auf den Eisbruch zu, traf er drei Treckerinnen, die sich als Sandy Pittmans Freundinnen vorstellten, mit denen sie das letzte Wochenende verbracht hatte. In dem Gespräch, das er höflich, wenn auch ungern führte, da er sich auf seinen Aufstieg konzentrieren wollte, wiederholte er seine Meinung, daß Sandys Fritten-Eskapade »nicht sehr klug« gewesen sei.
Da er es kaum erwarten konnte weiterzukommen, entschuldigte er sich und ging los. Er hatte schon zuviel Zeit vertan. Martin Adams war unterdessen weiter oben, in Lager I, Zeuge einer bestürzenden Szene geworden.
»Ich stieß in einem Zelt in Lager I auf Kruse. Da wir uns hier nicht länger aufhalten sollten, sagte ich: ›Was ist? Wo fehlt’s?‹ Er sagte, daß es ihm nicht gut ginge und er sich ziemlich elend fühle. Er wolle sich ausruhen, nötigenfalls die ganze Nacht. Morgen wolle er nachkommen. ›Das ist aber nicht nach Plan‹, denke ich, und hinter mir kommen Tim und Charlotte, und ich sage: ›He, seht doch mal nach Kruse. Mir scheint, daß es ihm sehr schlecht geht!‹ Sie gingen also ins Zelt und sprachen mit ihm, und auch sie waren der Meinung, daß er angeschlagen war.
In Lager II tranken Scott und Neal schon ihren Tee, als ich
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