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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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mitgehen.
    Unsere Gruppe war nun über die ganze Strecke verteilt: von Pheriche herauf, wo Tim und Charlotte sich von Symptomen der Höhenkrankheit erholten, bis zum Lager III, wo Scott mit Pete die letzte Nacht verbracht hatte. Dieses Auseinandergerissensein war für mich kein Grund zur Besorgnis, da die Kunst der richtigen Akklimatisation nicht an ein starres Schema gebunden ist, sondern von den Ereignissen, den Umständen und der körperlichen Verfassung jedes einzelnen abhängt. Sorgen machte mir vielmehr der sehr unterschiedliche Stand an Tauglichkeit, insbesondere bei Scott, dessen Akklimatisationsrhythmus bei seinen zahlreichen Auf- und Abstiegen durcheinandergeraten war.
    Am 1. Mai waren alle Führer und Kunden bis auf Charlotte Fox und Tim Madsen wieder im Basislager. Fischer, der Ruhe dringend nötig hatte, duschte noch rasch vor dem Abendessen. In seinem Zelt liegend, hörte Boukreev, wie Lene nach Fischer rief, als dieser unter der Dusche hervorkam.

    Sie sprachen von den Plänen für den Gipfeltag, und Scott sagte zu Lene, daß wir in wenigen Tagen gemeinsam zum Lager III aufsteigen wollten. Von dort aus würde man mit Sauerstoff weitergehen, auch beim Gipfelvorstoß. Lene, die noch immer an ihrem Vorsatz festhielt, ohne künstlichen Sauerstoff zu klettern, geriet in Rage. Das Gespräch wurde zunehmend lauter und erregter.

    Lene hatte mit zusätzlichen Tagen für Akklimatisationsaufstiege gerechnet, da die Verzögerungen bei der Errichtung der Hochlager ihr nicht genug Zeit gegeben hatten, ihre körperliche Verfassung in extremer Höhe zu testen. Und jetzt kündigte Fischer an, daß alle mit Sauerstoff klettern würden. Darüber regte sie sich sehr auf. »Ich sagte ›Mir bleibt gar keine Zeit mehr, mich so weit zu akklimatisieren, daß ich ohne Sauerstoff gehen könnte. Ein halbes Jahr hast du mich darin bestärkt, obwohl du wußtest, wie die Expedition ablaufen würde. Und ich habe mir Hoffnungen gemacht und dafür trainiert.‹«
    Fischer gab zurück, sie hätte keine Chance, ohne Sauerstoff den Gipfel zu erreichen, und würde wie alle anderen an der Flasche hängen. Lene, die hartnäckig an ihrer Meinung fest hielt, fuhr fort, Fischer zu beschimpfen, weil er sie unbedingt »anpassen« wolle. »Ich wurde ganz wild. Meine Meinung über ihn als routinierten Expeditionsleiter änderte sich gewaltig.«
    Der Disput endete, ohne daß die Frage geklärt worden wäre. Boukreev, der das Gefühl hatte, vielleicht schlichtend eingreifen zu können, verließ sein Zelt und holte Fischer ein, der auf das seine zuging.

    Es gab einiges zu besprechen, und ich fragte ihn als erstes, wie es mit Pete Schoening gelaufen sei. Recht gut, sagte Fischer, aber Pete könne noch immer nicht ohne Sauerstoff schlafen. Man könne von Glück reden, da er durch seinen rechtzeitigen Abstieg ein Hirnödem vermieden habe. Aber im Moment war er noch nicht gewillt, Dale oder Pete endgültig vom Gipfel abzuraten. Man würde sie genau beobachten und sie erst beim letzten Vorstoß in Lager II oder III umstimmen, falls sie nicht fit genug waren.

    Fischers Entscheidung war für Boukreev Grund zur Besorgnis, und Martin Adams hatte ebenfalls Bedenken. »Scott hält alle bei der Stange, auch Dale und (Pete) Schoening. Es ist ganz klar, daß sie nicht wirklich fit sind. Sie können es nicht schaffen, aber sie wollen aus irgendeinem Grund hinauf. Mir ist natürlich klar, daß Scott seine Gruppe unbedingt auf den Berg bringen möchte, weil er gute Publicity braucht. Im Basislager sagte ich zu Neal: ›Die Burschen haben da droben nichts zu suchen. Wenn jemand umkommt, habt ihr mehr Publicity, als euch lieb sein kann. Also überlegt euch gut, was ihr Leben wert ist, ehe ihr sie hinaufschleppt.‹«

    Scott war wegen Lene total am Boden zerstört. Angesprochen auf ihre Absicht, ohne Sauerstoff zu klettern, hob er nur resigniert die Hände und schüttelte den Kopf. Ich schlug vor, mit ihr zu reden, weil ich ebenfalls der Meinung war, daß es zu gefährlich sei, wenn sie es ohne Sauerstoff versuchte. Ihr mangelte es sowohl an Erfahrung, ihren Körper richtig einzuschätzen, als auch an der ausreichenden Akklimatisation.

    Kurz vor dem Abendessen ging ich zu Lenes Zelt und fragte, ob ich mit ihr über ihre Pläne sprechen könnte. Sie ließ mich ein und hörte mich an. Ich erklärte ihr, daß ich 1991 bei meiner ersten Besteigung des Everest ohne Sauerstoff sogar so weit gegangen sei, eine Nacht auf dem Südsattel zu verbringen, um meine

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