Der Gitano. Abenteuererzählungen
Diener.
»Potai«, frug er, »was thust Du heut hier am Strande von Tahiti?«
Der Alte blickte auf. Sein Auge überflog die Gestalt des Fragenden mit einem unbeschreiblichen Blicke.
»Atua, der Gott alles Guten, sei mit Dir, Anoui! Geh’ heim und frag’, was ich hier thu’!«
»Warum willst nicht Du selbst es mir sagen?«
»Ich kann nicht, Anoui! Mein Herz hat viel an Dich gedacht während der vielen Wochen, die Du auf den Inseln von Tabuai warst. Oro, der Gott alles Bösen, hat sich über Eimeo gesenkt und ist über Potomba, den großen Fürsten, gekommen, der den Glauben der Väter von sich geworfen hat und nun den Gott anbetet, den der alte, bleiche Mitonare verkündigt.«
Mitonare heißt Missionär, und mit diesem Worte bezeichnet das in seiner Sprache sehr einfache Inselvolk auch Alles, was mit der Religion der Christen in Verbindung steht, wie z.B. Kirche, Prediger, Altar, Predigt, selig, heilig, fromm u.s.w. immer nur mitonare genannt wird.
»Ist’s möglich, Potai?« frug der junge Mann so erschreckt, daß man trotz seiner broncenen Gesichtsfarbe bemerken konnte, daß ihm das Blut aus den Wangen wich. »O, wäre ich daheim geblieben! Ich wußte, daß der fremde Schleicher in sein Haus ging, um ihm den Glauben unserer Väter zu stehlen; aber der reiche Gewinn lockte mich nach den Ländern von Tabuai, und der Handel, der mich dort so lange Zeit aufhielt, hat mir reichen Gewinn gebracht. Ich werde mit ihm sprechen; ich werde ihn wieder zurückführen zu der Wahrheit unserer Priester und Manina wird mir gern helfen!«
»Manina, Dein Weib?«
»Ja. Sie liebt mich mehr als ihr Leben; sie ist mir vom Vater, von Eimeo gefolgt nach Papetee; sie hat geweint, als ich ging, ein ganzes Meer von Thränen. O, meine süße Manina, heut siehst Du mich wieder und wir werden Potomba aus der Hand des Mitonare reißen! Doch sag’, was thust Du hier?«
»Mein Mund will schweigen, das Wort wird ihm zu schwer!«
»Potai – Dein Geist ist finster und Dein Auge naß! Du liebst mich, Dein Angesicht sagt mir auch ohne Worte, daß mir ein Unglück droht. Es gilt Manina. Was ist mit meinem Weibe?«
»Ich sage es nicht, doch denke an Mahori, der Dein Nebenbuhler war!«
»Mahori?«
Er sprach nur dies eine Wort aus, aber mit einem einzigen Satze war er zwischen den Canoes hindurch und flog landeinwärts. Er beachtete nicht die Menschenmenge, deren Blicke voll Theilnahme auf ihm ruhten; er rannte sogar achtlos an Denen vorüber, welche hervortraten, um ein Wort mit ihm zu sprechen. Sein Lauf ging um Papetee herum, bis er ein Gebäude erreichte, welches sich durch seine Größe und den Umfang der zu ihm gehörigen Pflanzungen auszeichnete.
In diesem Hause hatte er seine goldene Jugendzeit verlebt; hier hatte er die Ehrfurcht beobachtet, welche seinem Vater, dem größten Häuptlinge Tahiti’s, gewidmet worden war; hier hatte er auch die Zerstörung aller herkömmlichen und darum heiligen Verhältnisse erlebt, die seinem Vater die Macht, das Ansehen und – das Leben gekostet hatte. Der Adel war werthlos geworden; er hatte mit dem Bruder ein Handelsgeschäft mit den nahe liegenden Inselarchipeln gegründet und an Reichthum gewonnen, was er an Einfluß als Ehri, als Fürst verloren hatte. Dann war er so glücklich gewesen, das schönste und beste Mädchen der Gesellschaftsgruppe zum Weibe zu bekommen, obgleich Mahori, der mächtige Priesterssohn, der Christ und einheimischer Mitonare geworden war, um ihre Hand angehalten hatte, um den Einfluß ihres Vaters für sich zu gewinnen.
Was war jetzt mit ihr geschehen? Er trat in das Haus und fand den Bruder finster in einem Winkel sitzend.
»Ombi, was ist geschehen?« forschte er fast athemlos.
»Anoui, Du hier? Atua sei gepriesen, der Dich sendet, damit meine Seele erlöst werde von der Qual, die auf ihr lastet! Bist Du stark genug, die Kunde zu vernehmen?«
»Ich bin stark. Was ist mit Manina? Warum kommt sie nicht, mich zu empfangen?«
»Sie ist nicht mehr hier.«
»Nicht – mehr – hier?« Er brachte die inhaltsschweren Worte nur stockend hervor. »Das Weib meines Herzens nicht mehr hier? Wo ist sie hin?«
»Potomba hat sie geholt und sie Mahori, dem Abtrünnigen, zur Frau gegeben. Heut’ ist Hochzeit und die Canoes warten am Wasser, um den Bräutigam nach Eimeo zu holen.«
Anoui antwortete nicht. Er trat an die Wandöffnung, welche als Fenster diente. Er mußte Luft haben, wenn er nicht ersticken wollte. Seine Brust flog convulsivisch und sein Athem drang röchelnd
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