Der Gitano. Abenteuererzählungen
zwischen den todesbleichen Lippen hervor.
Lange, lange stand er da, bis er sich endlich langsam umdrehte.
»Ombi, ist sie ihm gern gefolgt?«
»Nein. Er hat sie geholt, als ich nicht da war und sie durch List fortgelockt. Nun ist sie bei ihm und er darf über sie gebieten.«
Anoui athmete erleichtert auf.
»Die fremde Lehre wirft Haß, Zwietracht und Falschheit in die Herzen. Sie wird über unseren Glauben wachsen wie das Unkraut über die Pflanze. Ich gehe fort aus dem Lande der Väter und kehre nie zu ihm zurück.«
»Fort? Die Stimme der Verzweiflung spricht aus Deinem Munde!«
»Nein, Ombi. Manina liebt mich noch; ich bin ruhig. Aber darf ich bleiben, wenn –«
Er hielt mitten in der Rede inne, aber der Bruder verstand den funkelnden Blick und die rasche Handbewegung des Sprechers.
»Anoui, Du bist ein Ehri und fürstlich Blut rinnt durch Deine Adern. Man hat Dir Dein Weib geraubt; die beiden Mitonare sind Schuld daran. Thu’, was Dein Herz Dir gebietet. Ombi, Dein Bruder, wird Dir treu zur Seite stehen!«
»Ich bedarf Deiner Hülfe nicht. Doch werde ich in der nächsten Nacht noch fliehen müssen. Ich gehe nach den Inseln von Tubuai, woher ich heut’ gekommen bin. Sorge für Alles, was ich brauche und verschweige den Ort, wohin ich geflüchtet bin.«
»Ich werde schweigen und nachkommen. Atua hat die ›Perle der Südsee‹ verlassen; ich werde dorthin gehen, wo ich weiß, daß ich Dich finde.«
»So sag’ ich Dir Joranna (Ade, Lebewohl). Laß um Mitternacht das große Canoe mit Reisevorrath hinter der Spitze von Loga halten. Ich gehe!«
Er nahm von der Wand einen scharfen, zweischneidigen Kris (Dolch), den er zu sich steckte.
»Joranna, Ombi; ich bin ein Ehri und Manina bleibt mein!«
»Joranna, Anoui; der Gott alles Guten sei bei Dir; er lasse seine Sonne leuchten über Dir des Tages und seine Sterne in der Nacht, daß Dein Weg licht bleibe und nie bedeckt werde von Finsterniß!«
Anoui ging. Er vermied die Menschen und schritt zu einer Stelle des Ufers, wo ihn Niemand sah.
Die Hochzeitsflottille, welche den Bräutigam geholt hatte, war abgesegelt und befand sich unterwegs nach Eimeo. Er warf sich nieder, verdeckt von den breiten Blättern der Bananen, und wartete.
Erst als die Canoes verschwunden waren und die Menge sich verlaufen hatte, erhob er sich und schritt nach seinem Fahrzeuge. Er stieg ein, ruderte sich zwischen den Korallenriffen hindurch und setzte dann das Segel bei.
Sein Weg führte ihn um die Insel Eimeo herum nach dem auf ihr liegenden Orte Tamai, der sich unweit der Opoauho-Bai befindet. Dort wohnte Potomba, der Wortbrüchige und Frauenräuber, und dort fand die Hochzeit statt, die mit großer Feierlichkeit abgehalten wurde, weil der Vater der Braut ein Fürst und der Bräutigam ein einheimischer und überhaupt der erste Mitonare war, an dem eine solche Ceremonie vollzogen wurde.
In dem hintersten Gemache der Wohnung saß Manina, zum Feste vorbereitet. Ihre Dienerinnen hatten sie auf ihr Geheiß verlassen, und nun, da sie sich allein fühlte, flossen die zurückgehaltenen Thränen über die marmorbleichen Wangen. Einmal schon hatte sie als Braut hier gesessen, aber wie glücklich war sie damals gewesen, und wie unglücklich, wie namenlos unglücklich heut. Und der Schmuck, worin bestand er? Sie war eine schlanke, edle Gestalt, noch voll Jugendfrische, wie man trotz des Herzeleides sah, welches ihren Körper erbeben machte. Ihre schönen, dunklen Augen waren umflort, ihre scharfgeschnittenen Brauen fest zusammengezogen und ihre feinen Lippen geschlossen. Nicht eine einzige Blume oder irgend ein anderer Tand war in ihrem Haare, an ihrer Gestalt zu bemerken. Ja, sie schien sogar die Kleidung und die Stoffe verschmäht zu haben, die ihr von den Weißen, den verhaßten Fremden herübergebracht worden waren. Ein Parou von weicher, gelbbrauner Tapa, der ihr nur wenig über die Kniee herabreichte, umschloß ihre Hüften und zeigte die tadellos schönen Formen des unteren Beines, während der Tehei, ein kurzer Ueberwurf von demselben Stoffe, ihre Schultern und den Oberkörper verhüllte. Ihr rabenschwarzes Haar hing ihr lang, voll und lockig am Nacken hernieder, mit keiner Blume besteckt, von keiner wehenden Faser Arrow-root gehalten. Sie war ja selbst eine Blume, welcher der glühende Thau im Kelche brannte und die herausgerissen war von dem Orte, wo sie am schönsten hatte blühen und am lieblichsten hatte duften dürfen.
Da hörte sie ein leises Geräusch an der äußeren
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