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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bambuswand.
    »Manina!« rief es leise.
    Sie kannte diese Stimme. War es möglich, daß er hier sein konnte? Sie hatte ja gehört, daß er noch nicht zurückgekehrt sei.
    »Anoui!« rief sie jauchzend.
    »Sprich nicht laut, Manina!« warnte es von draußen. »Oro, der Gott alles Bösen, wacht mit seinen Geistern um die Hütte; drum mußt Du still und vorsichtig sein.«
    »Aber wenn man Dich sieht, Anoui?« frug sie jetzt angstvoll.
    »Der Pisang deckt mich zu, Du Sonne meines Herzens. Sag, hast Du mich noch lieb?«
    »Lieber als tausend Leben!«
    »Und wolltest doch mit den Abtrünnigen gehen?«
    »Nein, nie! Ich trage den Dolch unter dem Gewande; er hätte mein Herz gefunden, sobald Mahori mich anrührt, glaube mir das, Anoui!«
    »Ich kenne Dich und glaube Dir! Willst Du mein Weib bleiben?«
    »Wie gern; doch geht es nicht!«
    »Es geht. Tritt immer mit ihm vor den fremden Priester; ich werde kommen und sprechen. Und helfen meine Worte nichts, so merke auf, wenn er Dich nach Papetee bringt. Sobald ich Deinen Namen sage, springst Du herüber in mein Canoe. Willst Du?«
    »Ja.«
    »Dann fürchte Dich nicht vor den Worten und Weisen des bleichen Mitonare. Er läßt unsern Bund nicht gelten, weil unser Priester ihn geschlossen hat, und so soll auch sein Segen zerrinnen wie Nichts im Meere. Leb wohl, Manina; Joranna, Joranna, mein herrliches Weib!«
    Der Pisang raschelte draußen. Anoui hatte sich zurückgezogen.

    Die Flottille war in Tamai angekommen. Der Bräutigam betrat den Strand und wurde von Potomba willkommen geheißen. Die Gäste lagerten sich unter Palmen, genossen milchreiche Kokos, geröstete Bataten und eine Menge der schmackhaften Früchte, welche jene Gegend so massenhaft hervorbringt.
    Da ertönte der Schall der Trommel und der Klang der Flöte. Die Ceremonie sollte beginnen. Unter immergrünen Laubbäumen war ein blumenbeschmückter Altar errichtet worden, an welchem der »bleiche Mitonare«, der englische Missionär, der Braut harrte: Mahori trat in das Haus und brachte sie geführt.
    Da drängte sich durch den Kreis der umstehenden Gäste ein junger Mann und trat zu Potomba, welcher in der Nähe des Altares stand.
    »Sei gegrüßt, o Potomba, Du Vater meines Weibes! Sie ist, als ich nicht daheim war, zu Dir gekommen, und ich bin herbeigefahren, sie mir wiederzuholen.«
    »Weiche von mir, Heide!« lautete die Antwort. »Ich habe mit Dir nichts mehr zu schaffen!«
    Anoui blieb ruhig. Er legte nur die Hand auf die Schulter seiner Frau und wandte sich zum Priester:
    »Mitonare, dieses Weib hat mir auf den Schädeln unserer Voreltern Treue geschworen; der Priester unseres Volkes frug mich: ›
Eita anei oe a faarue i ta oe
vatrina?
Willst Du niemals Dein Weib verlassen?‹ und ich antwortete: ›
Eita,
nein!‹ Potomba gab uns seinen Segen. Hast Du das Recht, uns zu trennen?«
    Der Missionar schlug die Augen empor zum Himmel.
    »Die heilige christliche Kirche kann als allmächtige Mutter ihre Töchter nehmen und geben wem sie will. Weiche von hinnen, Ungläubiger, damit Dich der Zorn der Kinder Gottes nicht treffe!«
    »So komme, Manina!« antwortete er, sie bei der Hand erfassend.
    Da schlug ihm Mahori mit der Faust in das Gesicht, und zugleich wurde er erfaßt und davongeschleppt. Er sprach kein Wort, sondern ließ es geschehen. Aber in der Nähe des Strandes rang er sich los und sprang in sein Canoe.
    »Sagt Mahori, daß ich mir mein Weib holen werde!« rief er ihnen noch zu und ruderte hinaus in die See. Die Insel umsegelnd, gelangte er an den Papetee gegenüberliegenden Ort Alfareaita, wo er anlegte, um auszusteigen und sich eine Anzahl größerer oder kleinerer Fische zu kaufen.
    Als ihm die rechte Zeit gekommen schien, begab er sich mit diesen wieder in das Fahrzeug und ruderte sich eine Strecke hinaus, wo er die Meeresstraße zwischen den beiden Inseln zu überblicken vermochte. Es wurde dunkler über dem Wasser; die Nacht war angebrochen, aber die Wogen lagen um das Canoe wie ein flüssiger, durchsichtiger Kristall. Er band einen der Fische an ein Stück Bast und hing ihn in’s Wasser; schon nach kurzer Zeit erfolgte ein scharfer Ruck. Ein Haifisch hatte sich die Lockspeise geholt. Nach einiger Zeit warf der junge Mann einen zweiten Fisch aus und fuhr so fort, bis sich fast ein halbes Dutzend Haie um sein Boot tummelten.
    »Seid willkommen, Ihr Diener des Ehri. Ich nehme meine Rache, und Ihr erhaltet Eure Speise!«
    Er fuhr fort, die gefräßigen Ungeheuer an sich zu locken, bis nahende,

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