Der Gitano. Abenteuererzählungen
flackernde Bootsfeuer ihn überzeugten, daß die Flotte nahe, um die Neuvermählten heimzubringen. Er ruderte ihr; gefolgt von den Haien, langsam entgegen.
Allen weit voran fuhr Mahori. Er kauerte hinten am Steuer, während Manina vorn am Buge saß. Da plötzlich sah er vor sich ein Fahrzeug, welches ihm den Weg verlegte. Er erhob sich.
»Halt; wer da vorn?« frug er.
»Anoui, um Dir den heutigen Schlag zu lohnen!« klang es zurück.
Zugleich legte sich das Boot längsseite mit dem seinen, zwei kräftige Schnitte mit dem scharfen Kris durch die Bastbänder des Auslegers, und der Querbalken fiel in das Wasser. Jetzt war Mahori bei der geringsten Bewegung rettungslos verloren.
»Manina, hinüber!« rief Anoui.
Mit einem raschen Sprunge war sein Weib bei ihm; das Boot Mahori’s, jetzt ohne Ausleger, kenterte um, er stürzte mit einem lauten Aufschrei in die Fluth und wurde von den Haien sofort in Empfang genommen.
Ehe die übrigen Fahrzeuge zur Stelle waren, hatte Anoui das Segel gezogen und flog auf seinem guten, scharfgebauten Canoe der Gegend von Loga zu. Man hat niemals wieder Etwas von ihm und Manina gehört. Ombi, sein Bruder, verließ nach einiger Zeit auch Tahiti und ging, wie man sagt, nach den Tubuai-Inseln. Potomba starb nach einiger Zeit. Er hatte sein einziges Kind geliebt und sein letztes Wort soll ein Fluch gegen den »bleichen Mitonare« gewesen sein, dem er den Verlust der Tochter zu verdanken hatte. –
Nach Sibirien. Von Emma Pollmer
Von Emma Pollmer
1.
Der Diamantenraub
Es war das prächtigste Haus von Ustjug Weliki, welches die alte, fromme Gräfin von Smirnoff mit ihrer wunderschönen Tochter Paulowna bewohnte, und die schwer solide Einrichtung dieses gräflichen Hauses war ganz geeignet, ein sprechendes Zeugniß von dem unerschöflichen Reichthume der beiden Damen zu geben.
Der Sommer neigte sich zur Rüste, und der Herbst begann, mit seinem Früchtesegen die Aeste und Zweige der Obstbäume zu beschweren, so daß sie sich tief herab zur Erde beugten und, um nicht zu brechen, fester Stützen bedurften. Paulowna promenirte in den Gängen des hinter dem Hause gelegenen Gartens. An ihrer Seite schritt ein Mann, welcher sich bemühte, sie mit einem angelegentlichen Gespräche zu fesseln.
Er mochte am Ende oder am Anfange der dreißiger Jahre stehen, war groß, kräftig und schlank gebaut, hatte eine Adlernase, vielleicht nur ein wenig zu aristokratisch lang, einen etwas scharfen Blick, eine hohe, breite Stirn, frische, volle Lippen, und glänzend schwarzes Haar. Es war ein schöner Mann, aber er machte nicht den Eindruck eines angenehmen Mannes, nicht etwa, als wenn er ein schöner Mann gewesen wäre, von dem man hätte sagen müssen, er sei eben nichts als ein schöner Mann, im Gegentheile, es lag vielleicht nur zu viel Geist und Kraft in diesem Gesichte. Aber allerdings konnte man sich nicht klar werden, ob ein gewisser, allzustark hervortretender Zug des Bewußtseins geistiger Ueberlegenheit, oder ein nicht zu verkennender Ausdruck von Spott, oder ein zugleich lauernder und durchbohrender Blick der schwarzen Auges, ober was sonst dem Gesichte den Eindruck des Unbehaglichen, um nicht geradezu zu sagen, des Unheimlichen verlieh.
Es war der Oberst Graf Milanow, von dem man sich erzählte, er sei der erklärte Günstling des Zaaren und – in seinen Vermögensverhältnissen so derangirt, daß er Mühe habe, sich dem Drängen seiner unzähligen Gläubiger zu entziehen. Wäre seine fromme Tante, die Gräfin Smirnoff, ohne Erbin gewesen, so hätte ihm deren Hinterlassenschaft einst zufallen müssen; da dieser Weg der Rettung ihm aber nicht zu Gebote stand, so befand er sich gegenwärtig auf Urlaub bei ihr, um seinem Glücke auf eine andere Weise unter die Arme zu greifen: er befand sich im besten Zuge, Paulowna zu erklären, daß er ohne sie und ihre Gegenliebe nicht zu leben vermöge.
Sie hatte ihr kleines, weißes Händchen auf seinen Arm gelegt und hörte ihn mit einer Miene an, die so still, so unbeweglich war, daß man hätte meinen sollen, der Gegenstand ihres Gespräches sei ein profaner, so alltäglicher, daß es sich nicht der Mühe verlohne, darüber auch nur eine Wimper zu zucken.
»Wie gesagt, theures Cousinchen, ich sterbe vor Begierde, Dich als mein ewiges Eigenthum betrachten zu dürfen. Soll ich mit Mama sprechen?«
»Sage vorher, mein theurer Cousin, wie viele Minuten die Ewigkeit eines Offiziers zu dauern pflegt?«
»Du scherzest, bei einer so hochwichtigen Veranlassung,
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