Der Gitano. Abenteuererzählungen
Wogen hoben und senkten sich, als blickten Taufende von Najaden hinüber, wo über dem Schaum der Wellen immergrüne, wehende Wipfel sich erheben, unter denen ein dem allmähligen Untergange geweihtes Völkchen die letzten Pulsschläge seines individuellen Daseins zu zählen vermag.
Dort am Strande lag Papetee, die Hauptstadt Tahiti’s, und eine bunt bewegte Schaar wogte in ihren weißen, blauen, rothen, gelben, gestreiften oder geblümten, langen Gewändern hin und her. Wie prachtvoll hatten sich die jungen, bildhübschen Mädchen das schwarze, lockige und seidenweiche Haar mit Blumen und dem künstlich geflochtenen, schneeweiß wehenden Bast des Arrow-root geschmückt! Und wie gewandt und doch stolz waren die Bewegungen der eingeborenen Stutzer, welche, den bunten Parau oder die faltig Marra kokett um die Lenden geschlagen und darüber die Tebuta, das Schultertuch malerisch über die Achsel geworfen, zwischen den Schönen umher stolzirten! Sie hatten die langen, fettglänzenden Locken mit Streifen von in einander geflochtener weißer Tapa und rothem Flanell umwunden, was ihnen zu den broncefarbenen Gesichtern gar nicht so übel stand.
Da auf einmal drängte sich Alles dem Ufer näher. Ein Canoe nahte, in dessen weißes Segel sich die Brise voll gelegt hatte, so daß der Darinsitzende des Ruders nur bedurfte, um das Fahrzeug in dem richtigen Course zu erhalten.
Das Canoe war eines der hier stets gebräuchlichen, einfach aus einem Stamme gehauen und mit rundem Boden. Dadurch segelt es rascher, wäre aber auch sehr leicht umzuschlagen, wenn es nicht ein sogenannter Ausleger (
outrigger)
davor beschützt hätte.
Diese Ausleger bestehen aus zwei fest und quer über das Canoe befestigten Stangen oder Hölzern, die nach rechts hinaus einen leichten, kufenartig geschnittenen Balken halten. Dieser schwimmt also, mit dem Kahne parallel und etwa vier Fuß von dem Rande desselben entfernt, auf dem Wasser und ist mit Bast fest an die Querhölzer geschnürt. Ein Umschlagen des Fahrzeuges, ja selbst ein Schaukeln wird dadurch unmöglich gemacht, denn dasselbe kann nicht nach links hinüber, weil es dann den ganzen, noch nahezu zwei Ellen abstehenden Balken aus dem Wasser heben müßte, und nach rechts eben so wenig, da sich der aus leichten Holze bestehende Balken mit den Stangen und auf diese Entfernung hin nicht unter Wasser drücken läßt. Diese Canoes fahren daher selbst bei unruhiger See außerordentlich sicher. Freilich würde man sich ohne diese Ausleger nur sehr vorsichtig darin bewegen müssen, da der runde Boden der geringsten Neigung des Körpers folgt und man bei der kleinsten Schwankung nicht nur Gefahr liefe, umzukentern und ein unfreiwilliges nasses Bad zu erhalten, sondern diesen an und für sich kleinen Unfall sogar mit dem Leben bezahlen könnte, da Buchten und sonstige Wasser dieser Insel von Haien wimmeln, die zu der gefräßigsten Art dieses unheilvollen Fisches gehören.
Der junge Mann wußte, wie alle diese Insulaner, ganz vortrefflich mit seinem Canoe umzugehen; er schnitt mit demselben quer über die Wogen und ließ, in der Nähe des Landes angekommen, das Segel fahren, um vom Winde nicht an die scharfe Küste getrieben zu werden.
Mit Hülfe des Ruders arbeitete er sich nun, zwischen die Korallenbänke hindurch, an das Land heran; doch war diese Arbeit sichtlich keine fleißige, vielmehr schien die ungewöhnliche Anzahl geschmückter Kähne, welche ruderfertig und einer neben dem andern am Ufer hingen, einen großen Theil seiner Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Denn unter ihnen befand sich einer, der sich durch Wimpel und allerlei Blumen-und Blätterschmuck am meisten auszeichnete und den er sehr gut kannte. In ihm war er von Potomba, dem Vater seines herrlichen, jungen Weibes, abgeholt worden, als er sie von Eimeo, der nächsten, westlich von Tahiti gelegenen Insel, heimführte in sein unter Palmen gelegenes Haus zu Papetee.
Auch den alten, runzeligen Potai, welcher in dem Fahrzeuge wartend saß, kannte er. Dieser hatte damals gerade so wartend in dem Canoe gekauert wie jetzt. Sah das nicht aus wie eine fröhliche Hochzeitsfahrt? Und warum zeichnete sich der Kahn Potomba’s vor den übrigen aus, da der Letztere doch nur die eine Tochter besaß?
Er legte sich jetzt fester auf das Ruder, und in wenig Augenblicken knarrte sein Boot auf den Sand des Ufers. Er befestigte es mit dem Baststricke an einen der hierzu eingeschlagenen Holzpfahle und sprang dann hinüber zu dem alten
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