Der Gitano. Abenteuererzählungen
von den Engländern hier gegründeten Missionen entgegenarbeiteten. Später sandte auch Frankreich seine Bekehrer herüber, um die »armen Heiden«, welche ein vollständig zufriedenes und glückliches Leben führten, der ewigen Verdammniß zu entreißen und für den Himmel zu gewinnen, so daß gegenwärtig die einstigen Heiden in Christen umgewandelt sind, ob zu ihrem Vortheile und Segen, das ist freilich eine Frage, die der Bekenner des Christenthums am liebsten unbeantwortet läßt.
Die Gesittung hat ihren Barbarismus, das Licht seinen Schatten, die Liebe ihren Egoismus, und von dem Orte der ewigen Seligkeit aus kann man, wie das Gleichniß von dem armen Manne und Lazarus lehrt, hinunter in die Hölle blicken. Christi Liebe, Milde und Erbarmung predigende Religion ist, vom unduldsamen Zelotismus auf die Spitzen der Schwerter gehoben und von einer schlau berechnenden Eroberrungslust in’s Panier genommen, über den größten Theil des Erdkreises gegangen; ganze Raçen und Völker sind verschwunden oder liegen noch jetzt in den letzten, wilden Todeszuckungen; die Geschichte der Zukunft hat durch solche Vernichtung wichtige, kulturhistorische Kräfte und Momente verloren, und der treue Seelenhirt, welcher »mit Aufopferung seiner selbst nach dem verlorenen Schäflein jagt«, welches doch niemals zu seiner Heerde gehörte, kehrt den zahlreichen und bösen Krankheiten den Rücken, die im heimischen Stalle ihre Opfer suchen.
Als die Gesellschaftsinseln entdeckt wurden, fand man in ihren Bewohnern ein kindlich naives, wunschloses und in paradiesischer Unschuld lebendes Völkchen, dem eine reiche Natur alle zu einem zufriedenen, sorgenfreien Leben nothwendigen Bedürfnisse in verschwenderischer Weise verliehen hatte. Die Fremdlinge wurden mit freudiger Gastlichkeit aufgenommen, fast als Götter verehrt und erhielten Alles, was ihr Herz begehrte. Sie brachten die Kunde davon in die Heimath, wo der Wunsch nach gleichen Genüssen und das Verlangen rege wurde, die Glückseligkeit der Insulaner durch die Predigt des göttlichen Wortes und das Stellen in politische Abhängigkeit zu erhöhen. Es wurden Schiffe ausgerüstet, welche Waffen, Bibeln, Geistliche und – allerlei moralisches Gesindel nach den Eilanden brachten. Die Bekehrung begann; die Waffen und mitgebrachten Krankheiten begannen ihre Wirkung; die Menschenopfer wurden verpöhnt, aber Herrn Bachus und Frau Venus eine Hekatombe nach der andern gebracht, so daß aus den »armen Heiden« sehr bald gelehrige Schäflein wurden, unter denen nur selten ein widerhaariger Bock auftauchte, der zur »Linken« geschieden werden mußte, wenn er nicht von selbst dahin ging, wo Heulen und Zähneklappen ist. Das gute, theilnehmende Menschenkind ist nie so hassenswerth, als wenn es aufdringlich wird, um seinen Bruder glücklich zu machen. Dieses freundliche Bestreben hat unzählige Ströme warmen Blutes vergossen und Millionen – wer vermag sie zu zählen – Charakter, Heimath, Leben und Eigenthum gekostet. – –
Tahiti, die »Perle der Südsee«, lag unter einem herrlichen, tiefblauen Himmel; die Sonne glühte auf die blitzenden Wogen des Meeres und die bewaldeten Spitzen und Hänge des Orohenaberges nieder oder funkelte in den Bächen und schmalen Caskaden, welche von den malerisch aufstrebenden Klippen herabsprangen, aber ihre Gluth erreichte nicht die freundlichen Ansiedelungen, welche im Schatten der Palmen und zahllosen Fruchtbäumen lagen und von der frischen Seebrise angenehme Kühlung zugefächelt erhielten.
In dem milden Luftzuge rauschten die langen, gefiederten Wedel der Cocospalmen und raschelten die breiten, vom Winde ausgerissenen Blätter der Bananen; die abgeblühten Blumen der Orangen, deren Zweige aber trotzdem schon mit goldgelben Früchten bedeckt waren, tropften, wonnige Düfte verbreitend, zur Erde herab. Es war einer jener zauberisch schönen, wunderbaren Tage, wie sie in solcher Pracht und solchem Reichthume nur in den Tropen zu finden sind. Und während das Land in all’ seiner paradiesischen Schönheit so jung und frisch, als sei es eben erst aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, da lag, donnerte draußen an den Korallenriffen die Brandung ihr tiefes, ewiges Lied. Die Zeiten sind anders geworden und mit ihr die Menschen, die unendliche, stets wechselnde und doch ewig gleiche See ist dieselbe geblieben und schleudert auch heut’ wie vor Jahrtausenden ihre krystallenen Massen gegen die scharfen Dämme; die weißen, blitzenden Häupter der
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