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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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plötzlichen Erkennen auf und warf einen vernichtenden Strahl unter die zerwalkte Hutkrämpe des in ein schmutziges und arg zerfetztes Lederhabit gekleideten Reiters.
    »
Good day,
Ladies und Mesch’schurs,« antwortete dieser mit voller, sonorer Stimme. »Ich träumte von der Llano estacado und von abhanden gekommenen Stangen und Nuggets.
Good bye!
«
    Er machte Miene, seinen Weg fortzusetzen, Wilson aber verlegte ihm denselben.
    »Halt, nicht weiter, bis Ihr erklärt, was diese Antwort zu bedeuten hat!«
    Er war blaß geworden, aber sein Auge funkelte und die Narbe auf seiner Stirn schwoll zu doppelter Dicke an.
    »Halt?« frug der Andre mit einem überlegenen Lächeln. »Wer will es wagen, einem freien Manne unter freiem Himmel Halt zu gebieten? Wer will ihm das Wort befehlen, das er nur freiwillig giebt?«
    »Ich will es, Bursche! Was soll Deine Rede bedeuten? Sprich sofort oder – –«
    Er erhob drohend die Reitpeitsche. Die Absicht, den unscheinbaren Mann zur Zielscheibe eines muthwilligen Spasses zu machen, hatte so schnell zur drohenden Gefahr geführt, daß keiner der Anwesenden Zeit fand, sie abzulenken.
    »Oder – –?« donnerte der Jäger, die langen, wirren, blonden Locken schüttelnd wie ein Löwe seine Mähne. Er nahm mir der Linken die Zügel empor, und in demselben Augenblick schien dreifaches Leben sein scheinbar zu keiner schnellen Bewegung fähiges Pferd zu durchströmen. »Hinweg mit der Peitsche!«
    »Heraus mit der Antwort!« schallte es ihm entgegen.
    »Hier ist sie!«
    Ein leiser Schenkeldruck und der Mustang schnellte bis dicht an Wilson heran; im nächsten Augenblicke sank dieser, von einem fürchterlichen Faustschlage getroffen, aus dem Sattel in das Gras hinab. Der kraftvolle Mann, der jetzt so plötzlich von Geist und Feuer sprühte, riß sofort das Roß wieder herum und blitzte Einen nach dem Andern mit seinem vor Zorn sich dunkelfärbenden Auge an.
    »Will einer von den Gentlemen noch Antwort haben?«
    Niemand regte sich, denn jeder der Herren mußte erkennen, daß diese Antwort augenblicklich und ganz in der vorhergehenden Weise erfolgen werde.
    »Keiner?
Well,
so sind wir eigentlich fertig. Doch will ich Euch warnen vor dem Wagniß, je wieder einen braven Westmann für den passenden Gegenstand eines Possenspieles zu halten: sein kleiner Finger ist mehr werth als Ihr Alle; er sieht schon in der Ferne, was Ihr wollt, und weiß genau, wer lachen wird.«
    Schon stand er im Begriff fortzureiten, da zügelte er sein Thier bis vor Marga heran. Sein Gesicht nahm einen ganz andern Ausdruck an; seine Hand zog ehrerbietig den Hut vom Kopfe; bewundernd glitt sein Blick über die holde, lichtvolle Erscheinung des Mädchens, und seine Stimme klang weich und halblaut:
    »Dank, Mylady! Ihr wart die Einzige, die nicht spotten wollte, und seid einer besseren Gesellschaft werth.
Good bye!
«
    Mit dem vollen Anstand eines wohlgeschulten Ladiesman bedeckte er sich wieder, zog den gelockerten Büchsenriemen fester an und ritt in kurzem, elegantem Galopp davon.
    Nicht ein einziges Mal sah er sich um, trotzdem es seinen Blick mit Gewalt nach rückwärts zog. Er hatte hier zum ersten Male in ein Mädchenangesicht geblickt, von dem er sich gestand, daß er es nie vergessen werde. Als er die Stadt erreichte, stieg er in dem Gasthause ab, dessen Schild ihm zuerst entgegenglänzte, übergab sein Pferd dem Stallkeeper und begab sich in den Trinkraum, wo er die allgemeine Aufmerksamkeit durch die Hast erregte, mit welcher er nach den ausliegenden Zeitungen griff. Ein Trapper, der zu lesen versteht, kann beinahe als ein Mirakel betrachtet werden. Nach einiger Zeit winkte er den Boardkeeper zu sich heran.
    »Wer ist Mutter Smolly?«
    »Kennt Ihr Mutter Smolly nicht, Master? Dann müßt Ihr noch niemals hier gewesen sein! Sie war das schönste Mulattenmädchen weit und breit, wurde freigegeben und heirathete einen reichen Mississippihändler, dessen Wittwe sie nun ist. Sie ist die ehrbarste Frau der ganzen Stadt und überall als der Engel aller Nothleidenden bekannt; darum wird sie von Jedermann nicht anders als Mutter Smolly genannt.«
    Er dankte für die Auskunft und las noch einmal die Annonce, welche ihn zu seiner Frage veranlaßt hatte:
     
    »Ein wahrer Gentleman kann bei Mutter Smolly feine Wohnung mit Bibliothek und guter Kost erhalten.«
     
    Diese Offerte hatte, vielleicht gerade wegen ihrer sonderbaren Fassung, etwas Anziehendes für ihn. Er erkundigte sich nachträglich noch nach der Wohnung der

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