Der Gitano. Abenteuererzählungen
sondern das böse Beispiel, welches selbst die besten Sitten verdirbt. Der Gaul verträgt seine Portion Körner ohne alle Aufregung ebenso leicht, wie ich meine Flasche Madeira, die ich mir nicht nehmen lasse. Aber bei Eurem Springen und Jagen kann auch die zuverlässigste Kreatur unmöglich ruhig bleiben. Ich bitte Euch dringend, Sir, reitet hin zu meiner Tochter und sagt ihr, daß ich sofort in Ohnmacht falle, wenn sie noch ein einziges
ventre-à-terre
riskirt!«
»Laßt ihr das Vergnügen, Master. Es hebt den Muth, stärkt die Gesundheit, macht gewandt und, ganz unter uns gesagt, läßt Miß Marga in einem Lichte erscheinen, dem kein wahrer Gentleman zu widerstehen vermag.«
»Licht hin, Licht her; ich lobe mir die Sicherheit meiner gesunden Glieder, Master Wilson. Da seht einmal den Mann, der dort herüberkommt. Sein Pferd geht Schritt um Schritt, als hätte es die Blüthen zu zählen, die es niedertritt, und wahrhaftig, es nimmt sich sogar hier und da ein Maul davon auf, er läßt das geduldig geschehen, hängt dabei vornüber im Sattel, als wolle er in die Mähne beißen, und scheint es ganz gleich zu nehmen, ob er heute nach Stenton kommt oder morgen. Der ist kein solcher Wagehals wie Ihr und Marga, und für die erste Rippe, welche er bricht, will ich Euch getrost baare fünfzigtausend Dollars versprechen!«
»Meint Ihr?« frug der Andre mit einem forschenden Blick auf den noch fernen fremden Reiter. »Ich meine sehr, daß Ihr die Dollars bald verlieren könntet, denn der Mann hat jedenfalls schon mehr als eine Rippe gewagt.«
»Hoëh! Er sieht ganz und gar nicht danach aus.«
»Das meint Ihr, weil Ihr noch nie die Prairie betreten habt. Ich wette ganz dieselbe Summe, daß es ein richtiger Westmann ist, der noch andre Ritte, als Ihr gesehen habt, unternommen und dem Tode täglich in das Auge geschaut hat. Ich kenne das, denn meine Besitzungen in Texas grenzen an die Savanne, und ich habe also Gelegenheit, diese Leute zu beobachten und sogar ein wenig mitzuthun. Gerade seine gebeugte Haltung kennzeichnet ihn als Jäger; so sitzen sie Alle zu Pferde, denn anders wäre das ewige Reiten gar nicht auszuhalten.«
»Ein Prairiejäger? Ein Halbwilder? Den müssen wir anreden! Eine Unterhaltung mit ihm wird unsern Damen sicher viel Spaß machen.«
»Ich denke auch. Laßt mich nur machen!«
Der Sprecher war ein noch ziemlich junger und schöner Mann, dessen dunkel sprühende Augen ganz prächtig zu dem tiefschwarzen, wohlgepflegten Vollbarte standen. Er war mit beinahe übermäßiger Eleganz gekleidet und saß mit seltener Leichtigkeit zu Pferde. Der breite Panamahut war ihm ein wenig aus der Stirn in den Nacken gerutscht und ließ eine dunkelrothe Narbe sehen, welche sich von der Nasenwurzel aus bis unter die Haare zog. Einige laut gerufene Worte von ihm brachten die Gesellschaft zusammen.
»Meine Ladies und Gent’s, ein Plaisir erwartet uns. Dort kommt ein Biberhauthaggler, den wir ein wenig ins Gebet nehmen wollen. Der Mann hat wohl noch nie eine wirkliche Lady gesehen und wird in schauderhafte Verlegenheit gerathen über die Zumuthung, uns Rede und Antwort stehen zu sollen.«
Der Vorschlag wurde von der übermüthigen Versammlung mit Freuden angenommen, nur die Tochter des Bunten appellirte dagegen.
»Laßt ihn ruhig vorüber, Gentlemen! Der Mann hat Euch nichts gethan, und könnte sich verletzt fühlen!«
»Verletzt?« lachte Wilson. »Er soll es für eine Ehre halten, von so feinen Leuten angesprochen zu werden. Ich werde ihm dies begreiflich machen!«
Er wandte sein Pferd dem Reiter entgegen; die Andern folgten, und Marga war also gezwungen, sich ihnen anzuschließen, doch hielt sie sich zurück. Das Unternehmen des reichen Plantagenbesitzers stand im Widerspruche mit ihrer Art und Weise zu denken und zu empfinden.
Der Fremde war jetzt bis in Hörweite herangekommen, und ein mit dem Leben und den Gestalten der Prairie Unvertrauter würde geglaubt haben, daß die Gesellschaft noch gar nicht von ihm bemerkt worden sei, so unverwandt hielt er den Blick auf den Hals seines Pferdes gerichtet.
»
Good day,
Mann,« rief Wilson. »Schlaft und träumt Ihr oder sind Euch Eure letzten zwei Sinne abhanden gekommen?«
Der Gefragte richtete sich blitzschnell in die gerade Stellung empor, und es war eigenthümlich, mit welchem Blicke sich die Beiden begegneten. Das tiefblaue Auge des Jägers bohrte sich förmlich stechend in das Gesicht seines Gegenübers, und das dunkle des letzteren leuchtete wie unter einem
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