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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mulattin, die nicht angegeben war, und beschloß, sie aufzusuchen.
    Das Haus, welches ihm bezeichnet wurde, lag in einer der schönsten und ruhigsten Straßen Stentons. Er klingelte am Entree des Parterres, und aus der sich öffnenden Thürlücke sah ein allerliebstes, dunkles Gesicht hervor.
    »Ist Mutter Smolly daheim, mein Kind?«
    »Ja. Ich will sie rufen!«
    »Nein, melde mich an,« lächelte er über das Mißtrauen, welches seine Kleidung hervorgerufen hatte. »Ich habe längere Zeit mit ihr zu sprechen.«
    »So bitte ich, zu warten!«
    Nach längerer Zeit und jedenfalls erst nachdem die Dienerin der Herrin den Besuch bis in das Einzelnste beschrieben hatte, wurde er eingelassen, aber auch nur bis in den Vorsaal, wo ihn eine dralle, außerordentlich sauber gekleidete Frau empfing, die vielleicht vierzig Jahre zählen mochte und deren Gesichtsfarbe ihre Abstammung von irgend einer hübschen
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Lady verrieth.
    »Verzeihung, Mylady, wenn – –«
    »Mutter Smolly, nicht anders, wenn ich bitten darf!« fiel sie ihm schnell in die Rede.
    »Gut also, Mutter Smolly! Ich las da eine Annonce, daß Ihr eine feine Wohnung mit guter Kost zu vergeben habt.«
    »Allerdings. Aber habt Ihr auch gelesen, an wen?«
    »An einen wahren Gentleman.«
    »Also nicht an einen von den Vielen, die sich so nennen, ohne es zu sein, sondern an einen, den ich mit Recht so nennen darf.«
    »Diese Sorte ist hier im Südwesten außerordentlich selten, Mutter Smolly.«
    »Dann bleibt mein Logis unvermiethet. Ich nehme in mein Haus nur Leute, denen ich außer einer strengen Wirthin auch eine gute Mutter Smolly sein darf. Hat Euch Jemand geschickt?«
    »Nein. Ich selbst beabsichtigte, bei Euch zu wohnen, wenn Eure Räumlichkeit mir und meine Person Euch gefällt.«
    Sie konnte ein leises, silbernes Lachen nicht zurückhalten.
    »Meine Wohnung würde Euch sicher gefallen; aber sagt mir doch einmal, Master, wer und was Ihr seid! Ich vermuthe, ein Jäger oder Fallensteller.«
    »Meinem gegenwärtigen Aeußern nach, ja. Ich komme vom Felsengebirge und habe seit dort weder Kleider noch Wäsche wechseln können. Ich wollte das erst thun, wenn ich hier eine Heimath gefunden habe.«
    »Weshalb hier in Stenton?«
    »Weil sich hier die Druckerei befindet, in welcher ich Einiges veröffentlichen will.«
    Sie blickte ihn erstaunt an.
    »So seid Ihr eigentlich ein Gelehrter oder wohl gar ein Dichter?«
    »Vielleicht. Ich unternehme meine Reisen nur des Wissens wegen. Mein Name ist Richard Forster.«
    »Rich – – Forst – – bitte, bitte, Sir, tretet doch hier herein!«
    Sie riß eine Thür auf, schob ihn mehr als er ging in ein sehr hübsch eingerichtetes Zimmer, zog von einem Konsolegestell unter mehreren Büchern einen in Sammet gebundenen Band heraus und hielt ihm das Titelblatt desselben vor.
    »Herzensklänge, Sir; habt Ihr diese Lieder gedichtet?«
    »Sie sind von mir.«
    »Ists möglich! Mein Mann war ein Deutscher; er hat eine ganz werthvolle Bibliothek hinterlassen, und seine liebsten Bücher waren ihm die Eurigen. Ich kann sie nicht lesen; aber ich kenne ihre Titel und habe sie als Heiligthum hier in meinem Zimmer aufbewahrt. Ihr sollt die Wohnung haben; Ihr müßt sie nehmen. Kommt; ich will sie Euch zeigen!«
    Es war auf einmal eine ganz außerordentliche Lebhaftigkeit über sie gekommen. Sie sprang voraus, eine Treppe empor, und öffnete ihm drei Räume, die alle Ansprüche eines gebildeten Mannes zu befriedigen vermochten.
    »Hier das Schlafzimmer; hier das Wohnzimmer mit Balkon, und hier die Bibliothek, in welcher Ihr arbeiten könnt. Ich vertraue die Bücher keinem Menschen lieber an als Euch!«
    »Gut; ich wohne hier, und der Preis?«
    »Jetzt nicht; später davon. Seht nur erst, ob es Euch auch wirklich bei mir gefällt! Ich lasse Euch gar nicht wieder fort, und was Ihr braucht, werde ich Euch sofort besorgen.«
    »Was die Wäsche und Aehnliches betrifft, ja; da muß ich sogar um Eure Hülfe bitten, meine gute Mutter Smolly; das Andre aber werde ich wohl selbst übernehmen müssen. Auch mein Pferd, welches im Hotel steht, erfordert meine Anwesenheit.«
    »Das lassen wir holen. Ich habe im Hinterhause eine ganz prächtige Stallung, die Euch sicher zufriedenstellen wird.« –
    Bis der Abend hereinbrach, war mit Hülfe des Konfektioners, Kleiderhändlers und Friseurs ein vollständig anderer Mensch aus Forster geworden, und die Wirthin schlug verwundert die Hände zusammen, als er herabkam, um sich ihr in dieser neuen Fassung

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