Der Gitano. Abenteuererzählungen
ich nicht, Sir, denn er hat mir streng befohlen, daheim zu bleiben bis er kommt.«
Er lächelte.
»Du scheinst Deine Lage nicht zu begreifen! Daß Du Mutter Smolly ohne ihre Erlaubniß verlassen hast, will ich nicht beurtheilen; es war Undank, aber kein Verbrechen. Aber, Sarah, Du bist mit einem Raubmörder und Fälscher geflohen und hast ihn in seinem Thun unterstützt, bist also vor dem Gesetze seine Mitschuldige – verstehst Du nun, weshalb Du mit mir gehen mußt? Als meine Gefangene!«
»Gefangen?« schrie sie. »Ich habe nicht das Geringste verbrochen!«
»Und mein Geld, das er mir raubte, ehe er Stenton verließ? Ich traf ihn in meinem Zimmer; er wollte mich mit dem Messer tödten, brachte mir aber nur zwei Wunden bei und entkam.«
»Ist das wahr? Er verlangte Euern Schlüssel, weil er von Eurem Zimmer aus etwas in Olbers’ Haus beobachten wollte.«
»Der Schlüssel war Dir anvertraut und gehörte nicht in seine Hände. Er hat mich beraubt und verwundet.« Er streifte den Aermel seines Rockes empor. »Sieh hier den Schnitt und den Stich; Du bist Mitschuldige an dem Raube und Mordversuch.«
Sie erbleichte so tief, als es bei der Farbe ihrer Haut möglich war und stierte ihn wie geistesabwesend an. Erst nach einer langen Pause vermochte sie Worte zu finden.
»Das ist ja entsetzlich, Sir, das ist ganz fürchterlich! O Gott, hätte ich ihm doch nie geglaubt, hätte ich doch Mutter Smolly nie verlassen! Giebt es keine Rettung für mich, Sir?«
»Vielleicht, wenn Du mir Alles aufrichtig mittheilst!«
»Ich werde es thun, Mylord Forster. Fragt, ich will auf Alles Antwort geben!«
Er stellte ein eingehendes Verhör an und erfuhr, was zu wissen nöthig war. Er fühlte inniges Mitleid mit der Verführten, die keine andre Schuld als ihre Liebe trug.
»Willst Du mir gehorchen, Sarah, so kann noch Alles gut werden!«
»Befehlt nur, Sir! Ihr werdet sehen, daß ich auch das Schwerste thue.«
»So packe ein, was Dir gehört. Du gehst mit mir!«
Mit zitternder Hast suchte sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Er nahm alle Werthsachen Wilsons an sich und verließ heimlich mit ihr das Haus. Die Wirthin durfte nicht in den Stand gesetzt werden, irgend welche Auskunft zu ertheilen. Das Hotel war bald erreicht, und der schon längst zurückgekehrte Summerland staunte nicht wenig, als er das Mädchen bemerkte. Forster erzählte ihm Alles, nachdem er für ein Zimmer gesorgt hatte, in welches Sarah sich zurückziehen mußte.
»Alle Wetter, Sir, das ist ja ein ganz famoser Fang! Und der Brief, was steht in dem?«
»Das will ich Dir erklären. Schon in den ältesten Zeiten der spanischen Herrschaft in Mexiko pflegte die Regierung große Länderstrecken an Privatpersonen zu geben, entweder unter der Bedingung, binnen gewisser Jahre eine bestimmte Anzahl Menschen darauf anzusiedeln, oder sie verkaufte sie ihnen für eine sehr geringe Summe, die mit dem Werthe des Landes in gar keinem Verhältnisse stand und gewöhnlich in die Privattasche des höheren Beamten floß. Hier nennt man solche Stücke Landes Empressario’s, bei uns im Norden aber Grants. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß man noch jetzt, wo man die Empressario’s aus Geldnoth billig vergiebt, eine Legua von viertausendfünfhundert Acker für den Preis von noch lange nicht tausend Dollars weggiebt und ein einziger Mann oft zehn bis fünfzehn Legua’s in dieser Weise von der Regierung ersteht. Der Verkauf dieser Grants nun liegt in den Händen des Grafen Don Ventura Hernano, und der brave Alkalde von Morelia schlägt in diesem Briefe seinen Bruder, zwar nicht in deutlichen Worten, aber doch so, daß man die Andeutungen zu verstehen vermag, einen Streich vor, der den Grafen zur willigen Abtretung eines größeren Landstriches führen soll. Er begiebt sich, wie hier steht, wöchentlich ein Mal auf eines seiner Güter, welches in der Nähe von Morelia liegt; die Gräfin begleitet ihn gewöhnlich, und bei einer solchen Gelegenheit sollen Beide überfallen und gefangen werden. Dabei erscheint Wilson als Retter und befreit den Grafen, während die Gräfin zurückbehalten wird, um ein Lösegeld zu erzielen, welches den Antheil der Helfershelfer bildet.«
»Ein verteufelt sauberer Plan, Sir, den man nur so einem spanischen Schuft zutrauen kann. Warum aber hat Wilson diesen Brief nicht vernichtet?«
»Das frage ich auch. Bei jeder schlimmen That giebt es einen Fehler, der sie an das Licht bringen kann. Wir sind vollständig geborgen, denn wir haben den Raub
Weitere Kostenlose Bücher