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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verbreiteten und zugleich dem Zugpersonale als Signal dienten.
    »Da seid Ihr ja wieder!« rief uns der Ingenieur entgegen, welcher ein Tuch um den verletzten Arm trug und uns die unbeschädigte Rechte zum Gruße hinstreckte. »Habt Euch brav gehalten, Alter; hätte einem Indsman so Etwas gar nicht zugetraut; werde es zu berichten wissen! Wohin führt Euch Euer Pfad?«
    »Winnetou geht, zu sehen das mächtige Volk der Bleichgesichter,« antwortete der Gefragte.
    »Dann vergeßt ja nicht, nach Washington zu gehen, zur Stadt des großen Vaters, dem ich schreiben werde von dem tapfern und guten Häuptlinge der Apachen.«
    »Winnetou wird ihn sehen und ihm sagen die Wünsche der rothen Männer.«
    »Er wird die Worte unsers Bruders hören und mit Weisheit und Güte beantworten. Aber wo ist Old Firehand, den ich Euch nachjagen sah?«
    »Mein weißer Bruder hat verloren die Fährte des rothen Mannes und ist auf einen neuen Feind gestoßen. Der Apache wird mit seinem jungen Freunde gehen, ihn zu suchen.«
    Auch ich hegte diese Ansicht, da er längst wieder da sein mußte, wenn ihm Nichts begegnet gewesen wäre. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schloß ich mich deßhalb dem Indianer, nachdem wir uns unsre Waffen wieder angeeignet, sie in den gehörigen Zustand gesetzt und die erbeuteten Pferde in Sicherheit gebracht hatten, an und schritt mit ihm der Richtung zu, aus welcher wir soeben gekommen waren. –
    Der Mond warf sein falbes, zweifelhaftes Licht über die vor uns ausgebreitete Weite; hinter uns flammten die beiden Feuerzungen empor, und am östlichen Punkte des Gesichtskreises wurde nun auch das scharfe Licht der nahenden Maschine sichtbar. Der Knoten, welcher uns für wenige Viertelstunden mit der Civilisation verband, war nur leicht geschlungen; vielleicht lößte er sich schon in dem gegenwärtigen Augenblicke, welcher uns in die ungewisse und gefahrvolle Nacht hinausführte.
     
    Eine Reihe von Tagen war vergangen. Unser glücklich zurückgelegter Weg hatte uns mitten durch das Gebiet feindlicher Stämme geführt, und jetzt nun, wo die uns dabei drohenden Gefahren hinter uns lagen, konnten wir uns einmal nach Herzenslust ausruhen und pflegen.
    Unsre Büchsen waren in den letzten Tagen, um durch den Knall derselben nicht die Rothhäute auf uns aufmerksam zu machen, stumm geblieben; aber trotzdem hatten wir, da wir an der Station der Bahnarbeiter mit hinreichendem Proviant und manchem Andern reichlich versehen worden waren, nicht Mangel gelitten und auch jetzt eben ließ Old Firehand den letzten Inhalt einer mitgenommenen Rumflasche in das heiße Wasser laufen und kostete mit sichtbarem Wohlbehagen den in diesen Breiten so seltenen Trank.
    Winnetou hatte die Wache und trat, von einem seiner Rundgänge zurückgekehrt, zum Feuer. Old Firehand bot ihm den dampfenden Becher.
    »Will mein Bruder sich nicht an’s Feuer setzen? Der Pfad des Rapaho führt nicht an diese Stelle.«
    »Das Auge des Apachen steht immer offen; er traut nicht der Nacht; denn sie ist ein Weib.«
    Nachdem er einen langen, behaglich schlürfenden Schluck gethan hatte, schritt er wieder in das Dunkel zurück.
    »Er haßt die Frauen,« warf ich hin, um den Anfang zu geben zu einer jener traulichen Unterhaltungen, welche, geführt unter ruhig flimmernden Sternen, für lange Jahre in der Erinnerung bleiben.
    Old Firehand öffnete das an seinem Halse hangende Futteral und entnahm demselben die sorglich darin verwahrte kurze Pfeife, welche er gemächlich stopfte und dann in Brand steckte.
    »Meint Ihr? Vielleicht auch nicht.«
    »Seine Worte schienen es zu sagen.«
    »Schienen,« nickte der alte Jäger; »aber es ist nicht so. Es gab einmal Eine, um deren Besitz er mit Mensch und Teufel gekämpft hätte, und seit jener Zeit ist ihm das Wort ›Sqaw‹ (Frau) entfallen.«
    »Warum führte er sie nicht in seine Hütte?«
    »Sie liebte einen Andern.«
    »Darnach pflegt ein Indianer nicht zu fragen.«
    »Aber dieser Andere war sein Freund.«
    »Und der Name dieses Freundes?«
    »Ist jetzt Old Firehand.«
    Ich blickte überrascht empor. Hier stand ich vor einer jener Katastrophen, an denen der Westen so reich ist und welche seinen Gestalten und Ereignissen jenen energischen Character geben, durch welchen sie sich kräftig auszeichnen. Natürlich hatte ich kein Recht, weiter zu fragen; aber das Verlangen nach Weiterem mußte sich deutlich in meinen Mienen aussprechen; denn er fuhr nach einer Pause fort:
    »Laßt die Vergangenheit ruhen, Mann. Wollte ich

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