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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war überhaupt augenfällig, welch’ beinahe liebevolle Aufmerksamkeit und Ergebenheit die zwei Leute gegen einander zeigten. Zwei Brüder, die sich durch die Bande des Blutes mit jeder Faser des Innern an einander gefesselt fühlen, hätten nicht besorgter für einander sein können, und es dünkte mir, als begegne sich diese beiderseitige Fürsorge jetzt in meiner Person.
    Als wir um die Mittagszeit Halt machten und Old Firehand sich entfernte, um die Umgebung des Lagerplatzes zu recognosciren, streckte sich, während ich den Proviant hervorholte, Winnetou an meiner Seite nieder und meinte:
    »Mein Bruder ist kühn wie die große Katze des Waldes und stumm wie der Mund des Felsens.«
    Ich schwieg zu dieser sonderbaren Einleitung.
    »Er hat die Blume der Savanne aus dem Feuer gerissen und nicht davon gesprochen zu Winnetou, seinem Freunde.«
    »Die Zunge des Mannes,« antwortete ich, »ist wie das Messer in der Scheide. Es ist scharf und spitz und taugt nicht zum Spiele.«
    »Mein Bruder ist weise und hat Recht; aber Winnetou ist betrübt, wenn das Herz seines jungen Freundes sich ihm verschließt wie der Stein, in dessen Schooße die Körner des Goldes verborgen liegen.«
    »Ist das Herz Winnetou’s geöffnet gewesen dem Ohre seines Freundes?«
    »Hat er ihm nicht gesagt alle Geheimnisse der Prairie? Hat er ihm nicht gezeigt und gelehrt die Spur zu sehen, den Lasso zu werfen, den Scalp zu lösen und Alles zu thun, was ein großer Krieger können muß?«
    »Winnetou hat es gethan; aber hat er auch gesprochen von Old Firehand, der seine Seele besitzt und von dem Weibe, dessen Andenken nicht gestorben ist in seinem Herzen?«
    »Winnetou hat sie geliebt, und die Liebe wohnt nicht in seinem Munde.«
    »Nun weiß wohl auch der Apache, warum sein Bruder nicht gesprochen hat von der Jungfrau, welche er genannt hat die Blume der Savanne!«
    »Hat er ihr geschenkt seine Liebe?«
    »Winnetou sagt es.«
    »Sie sind würdig, mit einander zu wohnen im Wigwam, und der Apache wird ihnen geben eine große Medizin, welche glücklich macht und ein Schutz ist gegen jede Gefahr und die Angriffe des bösen Geistes.«
    »Hat mein Bruder die Blume gesehen?«
    »Er hat sie getragen auf seinen Armen; er hat ihr gezeigt die Blumen des Feldes, die Bäume des Waldes, die Fische des Wassers und die Sterne des Himmels; er hat ihr gelehrt, den Pfeil vom Bogen schießen und das wilde Roß besteigen; er hat ihr geschenkt die Sprachen der rothen Männer und ihr zuletzt gegeben das Feuergewehr, dessen Kugel getödtet hat Ribanna, die Tochters der Assineboins.«
    Erstaunt blickte ich ihn an. Es dämmerte eine Ahnung in mir auf, der ich kaum Worte zu geben wagte, und doch hätte ich es vielleicht gethan, wenn nicht gerade jetzt Old Firehand zurückgekehrt wäre und unsre Aufmerksamkeit auf das Mahl gerichtet hätte. Aber während desselben mußte ich immerfort an die Worte Winnetou’s denken, aus denen in Verbindung mit Dem, was Ellen mir gesagt hatte, fast hervorging, daß Old Firehand ihr Vater sei. Das Benehmen desselben bei meiner Erzählung am gestrigen Abende stimmte allerdings mit dieser Vermuthung überein; aber er hatte von diesem Vater als von einem Dritten gesprochen und Nichts gesagt, was meine Vermuthung zu einer festen Ueberzeugung machen konnte.
    Nach einigen Stunden der Ruhe brachen wir wieder auf. Als ob unsre Thiere wüßten, daß ein Ort mehrtägiger Erholung vor ihnen liege, trabten sie munter dahin, und wir hatten eine ziemliche Strecke zurückgelegt, als mit der hereinbrechenden Dämmerung der Höhenzug, hinter welchem das Thal des Mankizila liegt, uns so nahe getreten war, daß das Terrain sich zu erheben begann und wir uns durch eine Schlucht bewegten, welche, wie es schien, uns senkrecht auf den Lauf des Flusses führen mußte.
    »Halt!« tönte es da plötzlich aus den zur Seite stehenden Cattonsträuchern hervor, und zu gleicher Zeit ward zwischen den Zweigen der Lauf einer auf uns gerichteten Büchse sichtbar. »Wie heißt das Wort?«
    »Tapfer!«
    »Und?«
    »Verschwiegen,« gab Old Firehand die Parole, indem er mit scharfem Blicke des Gesträuch zu durchdringen suchte. Bei dem letzten Worte theilte sich dasselbe und ließ einen Mann hindurch, bei dessen Anblicke ich mich eines leisen Lächelns nicht erwehren konnte.
    Unter der wehmüthig herabhängenden Krämpe eines Filzhutes, dessen Alter, Farbe und Gestalt selbst dem schärfsten Denker einiges Kopfzerbrechen verursacht haben würde, blickte zwischen einem Walde von

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