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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Aesten aufgeführte Hütte. Von ihr aus mußte das ganze Thal mit allen seinen Einzelheiten vollständig zu überschauen sein und ich beschloß, hinaufzusteigen. Bald fand ich, wenn auch keinen Pfad, so doch die Spuren von Fußtritten, die sich da hinaufgearbeitet hatten, und folgte ihnen empor.
    Nur noch eine kurze Strecke hatte ich zurückzulegen, da sah ich aus der schmalen und niedern Thüre einen Mann schlüpfen, welcher wohl kaum durch mein Kommen gestört worden sein konnte; denn er bemerkte mich gar nicht und trat, den Rücken mir zugewendet, an den Rand des Felsens und warf, das Auge mit der erhobenen Hand beschattend, einen Blick hinunter in die Tiefe.
    Er trug ein buntes, starkstoffiges Jagdhemde, an der äußern Nath von der Hüfte bis zum Knöchel mit Fransen verzierte Leggins (Lederbeinkleider) und die kleinen Moccassins waren reich mit Glasperlen und Stachelschweinsporsten besetzt. Um den Kopf war turbanartig ein rothes Tuch geschlungen, und eine ebenso gefärbte Schärpe vertrat die Stelle des gewöhnlicheren Gürtels.
    Als ich den Fuß auf die kleine Plattform setzte, vernahm er das Geräusch meiner Schritte und wandte sich schnell um. War es Wahrheit oder Täuschung? Vor mir stand das Bild meiner Träume, der stetige Gegenstand meines Sinnens und Denkens, das Ziel aller meiner Wünsche und Hoffnungen, und in hellem, rückhaltslosem Jubel rief ich aus:
    »Ellen! Ist’s möglich?« und trat mit rascher Bewegung auf sie zu.
    Aber ernst und kalt blickte ihr Auge, stolz und unbeweglich stand ihre der Männerkleidung jedenfalls nicht ungewohnte Gestalt und kein Zug ihres jetzt tief gebräunten Angesichtes verrieth auch nur die leiseste freundliche Regung über mein Kommen.
    »Wenn es nicht möglich wäre, würdet Ihr mich nicht hier treffen, Sir. Aber die Berechtigung zur Frage ist wohl mehr an mir als an Euch. Welche Ursache gab Euch die Erlaubniß, Euern Weg in unser Lager zu nehmen?«
    Wie ein Strom eiskalten Wassers auf einen erhitzten Körper, so wirkten diese Worte auf mein Entzücken, das wunderbare Mädchen wiederzusehen, und kälter und gemessener als sie erwiederte ich nur das eine Wort:
    »
Pshaw!
« (Pah) und glitt, ihr den Rücken wendend, vorsichtigen Fußes wieder hinab.
    Ich hatte in der Ueberraschung die reinsten und heiligsten Gefühle meines Herzens blosgegeben und eine Demüthigung erlitten, die mich tiefer traf, als es der Pfeil eines Indianers thun konnte, und die Bitterkeit, welche ich jetzt empfand, war eine ganz andere als diejenige, welche ich gefühlt hatte, als sie mich an jenem Abende so energisch von sich wies.
    Es war also doch so, wie ich vermuthet hatte, daß sie die Tochter Old Firehands sei, und nun war mir auch das Andere so ziemlich klar. Nie hatte ich es für möglich gehalten, daß ein Weib, ein so zartes und schönes Wesen wie sie, die den Genüssen und Ansprüchen des civilisirten Lebens ganz gewiß nicht fremd geblieben war, dieses Leben mit den Gefahren und Entbehrungen der Wildniß vertauschen könne. Daß es doch so geschehen war, mußte ganz besondere Gründe haben, und es schien mir nicht schwer, aus den einzelnen Mittheilungen, die mir gemacht worden waren, das Ganze zusammenzusetzen.
    Schwieriger aber konnte ich die so deutlich gezeigte Abneigung begreifen, welche sie mir, ganz entgegengesetzt den ersten Augenblicken unserer Bekanntschaft, später an den Tag gelegt hatte. Die Behauptung Old Firehands, daß sie mich für feig gehalten habe, stimmte allerdings vollständig mit ihrer eigenen damaligen Aeußerung überein; aber es war mir absolut unmöglich, zu sagen, worin diese Feigheit denn eigentlich bestanden habe. Ein besserer Menschenkenner, als ich damals war, würde die Motive ihres Verhaltens ohne Zweifel an einem ganz andern Orte gesucht haben; doch ich war mit den Unwägbarkeiten eines Frauenherzens zu wenig bekannt, als daß ich das Richtige hätte treffen können. –
    Es war Abend geworden. In der Mitte des weiten Thalkessels brannte ein hoch emporzüngelndes Feuer, um welches sämmtliche anwesende Bewohner des Lagers sich versammelt hatten. Ellen, welche, wie ich bald bemerkte, den Männern in jeder Beziehung gleichberechtigt war, hatte mitten unter den Jägern Platz genommen; doch dünkte es mich, daß sie von der Erzählung all der Abenteuer, welche in rascher Folge vorgetragen wurden, wenig berührt werde. Träumerisch suchten ihre Augen das Weite, und wenn sie zurückkehrten, so ruhte ihr Blick mit einem eigenthümlichen Ausdrucke auf

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