Der Gitano. Abenteuererzählungen
Carlisten durch die Trümmer der Ruine und nebenstehendes Gesträuch Deckung fanden, konnten sie nicht bemerkt werden.
»Habt Acht, Leute; da drüben kommt der Feind!« kommandirte der Colonel, welcher in den Nahenden sofort Regierungstruppen erkannt hatte. »Es ist eine Streifpatruille, welche wir aufheben müssen. Nunez, Du gehst mit drei Mann zurück bis an die Stelle, wo sich der Weg um die Felsen biegt und schießest Jeden nieder, der uns etwa entkommen sollte, und Du, Petrillo, schleichst Dich vorwärts, bis Du etwa genügende Deckung zu einem Hinterhalte hast, um dafür zu sorgen, daß dem Feinde der Rückweg abgeschnitten ist. Ich selbst lege mich mit den Uebrigen hin in die Ruine, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn uns Einer von ihnen entginge. Schafft die Thiere bei Seite und haltet ein scharfes Auge auf die Gefangenen. Wer sich von ihnen rührt, wird niedergeschossen.«
Es wurde dem Befehle mit der größten Schnelligkeit Folge geleistet, und kaum waren einige Sekunden vergangen, so lag der kleine freie Platz leer vor dem Gemäuer und tiefe Stille herrschte ringsumher.
Der Befehl des Obersten, Jeden von uns, der sich bewegen werde, niederzuschießen, hatte auf mich keinen großen Eindruck gemacht. Ich war vollständig unbetheiligt bei der Sache und konnte also ruhig liegen bleiben. Anders schien es bei dem Gitano zu sein.
Mit scharfem Auge war er jeder Bewegung der Carlisten gefolgt, und als jetzt der Augenblick der Entscheidung nahte, spiegelten sich die widerstreitendsten Empfindungen auf seinem schönen Angesichte ab. Um dies nicht den Wächtern merken zu lassen, hatte er sich zur Seite gewandt, und so war es mir möglich, ihn und seine Begleiterin genau zu beobachten.
Sie flüsterten leise und hastig mit einander, und während er ihr einen Entschluß mitzutheilen schien, sprach sie mit einem so flehenden Ausdrucke zu ihm, daß der Zug von Entschlossenheit, welcher sich in seinen Mienen aussprach, mehr und mehr schwand und er endlich mit einem langsamen Neigen des Hauptes sich in ihren Willen ergab.
Mit dankbarem Lächeln blickte sie zu ihm auf, und als bedürfe es noch einer Begründung ihrer Bitte, entfuhr es halblaut ihren Lippen:
»Es sind ihrer zu viel!«
Er antwortete mit einem überlegenen Schütteln des Kopfes und legte sich dann lauschend in die Ecke zurück.
Jetzt vernahm man nahende Schritte. Die hinter den Trümmern im Anschlage knieenden Carlisten hielten die Blicke auf den Punkt gerichtet, an welchem ihre Nichts ahnenden Gegner erscheinen mußten, und jeder Augenblick konnte diesen jetzt den sichern Tod bringen. Schon trat der Erste von ihnen um die Ecke, welche auch wir vorhin passirt hatten, und sofort legten sich die Finger der im Hinterhalte Liegenden zum Schusse an die Drücker; da aber ertönte ein kurzer, scharfer Pfiff, und in demselben Augenblicke warf sich der Erschienene zurück, und der Platz war wieder leer wie vorher.
Ueberrascht und zornig war der Oberst bei dem verrätherischen Pfiffe aufgesprungen und hatte das Auge auf uns geworfen. Aber er schien nicht genau zu wissen, aus welcher Richtung der Laut gekommen war, und zudem durfte jetzt keine Zeit verloren werden, wenn die Gewarnten nicht entkommen sollten.
Schnell gab er deßhalb die nöthigen Befehle und stürmte dann, eine hinreichende Wache bei uns zurücklassend, vorwärts.
Der Hinterhalt mußte die Zurückkehrenden schon aufgenommen haben, wie die rasch hinter einander fallenden Schüsse bewiesen, und da es dann plötzlich wieder ruhig wurde, so waren die Ueberfallenen entweder glücklich entkommen oder niedergemacht worden. Ich glaubte das Erstere annehmen zu dürfen, wurde aber sofort eines Andern belehrt; denn mitten in die augenblickliche Stille hinein erscholl jetzt ein lautes Jubelgeschrei, und nach einigen Augenblicken der Ungewißheit und des Wartens von unserer Seite kehrten die Carlisten zurück, den feindlichen Offizier als Gefangenen in ihrer Mitte.
Seine Uniform hing in Fetzen um den Körper, und das Blut strömte ihm aus mehreren Wunden. Er mußte wacker gekämpft haben und jedenfalls mit dem Colonel zusammengekommen sein; denn auch dieser war verwundet und warf Blicke auf ihn, in denen sich Haß und Rachelust nur zu deutlich aussprachen.
»Bindet ihn und schafft ihn einstweilen zu den Andern dort! Er ist nichts Anderes als sie, ein Spion und wird also auch mit ihnen aufgeknüpft.«
»Hoffentlich sind diese Worte nur eine Folge des Schmerzes, welchen Euch Eure Wunde verursacht,
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