Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
fortzog.
    Unwillkürlich warf ich dabei einen Blick auf den Zigeuner. Ganz gegen meine Erwartung blieben seine Züge unbeweglich und ausdruckslos. Die unfreiwillige Entfernung seiner Begleiterin schien ihn nicht zu berühren, vielmehr bemerkte ich, daß seine Aufmerksamkeit mehr auf mich als auf sie gerichtet war.
    Man hatte ihn in meine Nähe placirt, sodaß wir uns bei einiger Vorsicht verständlich machen konnten. Während der Colonel seinen Ruheplatz suchte und die Andern mit dem frugalen Mahle beschäftigt waren, raunte er mir, indem er nach der über mir befindlichen Maueröffnung winkte, hastig zu:
    »Was wollte der?«
    Er hatte also Bonamaria gesehen und in ihm jedenfalls einen uns freundlich gesinnten Mann erkannt.
    »Der Besitzer dieses Hauses. Er holt Militair!« antwortete ich.
    »Ist welches in der Nähe?«
    Ich nickte und winkte nach der Richtung zu, welche der Estanziero eingeschlagen hatte.
    Da erscholl aus der Gruppe der Carlisten ein lauter Schrei, bei welchem, während ich nur den Kopf wendete, der Gitano mit einem Satze in die Höhe schnellte. Einer der Leute hatte seinen Arm um das Mädchen gelegt und versuchte, ihr einen Kuß aufzudrängen. Sie wehrte sich gegen diese Berührung und wiederholte, während die Andern roh lachten, ihren Hülferuf.
    Schon stand der Zigeuner vor dem Colonel.
    »Sennor,« sprach er, »ich werde nicht zugeben, daß man meine Schwester beschimpfe. Daß Ihr sie von mir wegnahmt, mußte ich leiden; denn ich befinde mich in Eurer Hand. Aber wenn Ihr nicht sofort gebietet, daß Eure Untergebenen von ihr lassen, werde ich selbst sie gegen Mißhandlungen in Schutz nehmen!«
    Erstaunt blickte der Offizier den jungen Mann an, welcher vor ihm stand, nicht als befinde er sich in Fesseln und gehöre einem zurückgesetzten Volksstamme an, sondern als sei er hier Herr und Gebieter, dem man Gehorsam leisten müsse.
    »Bist Du wahnsinnig, Mensch!« rief er, »oder hat die Angst Dich betrunken gemacht?«
    »Angst?« fragte Gitano, indem er mit einem geringschätzenden Blicke die Gestalt seines Gegners übermaß. »Don Enrico de Calanda y Munilla ist zwar ein tapferer Offizier, und es ist zu beklagen, daß er seinen Arm einer so ungerechten Sache gewidmet hat, aber mir Furcht einzuflößen, dazu ist er der Mann doch noch nicht! Ich wiederhole also, Sennor, daß ich Jeden, der es zum zweiten Male wagen sollte, das Mädchen anzurühren, eine Kugel durch den Kopf jagen werde. Jetzt wißt Ihr, was Ihr zu thun habt.«
    »Ja, das weiß ich, mein Söhnchen. Ich werde Dich um etwas fester schließen lassen und Dir sodann im Irrenhause ein ruhiges Zimmerchen verschaffen, wo Du den Helden spielen kannst, ohne ausgelacht zu werden. Gebt ihm noch einen Strick mehr um den Arm!«
    Der Zigeuner trat einen Schritt zurück und warf einen so überwältigenden Blick auf die beiden Männer, welche herzutraten, um dem Befehle zu gehorchen, daß sie unwillkürlich stehen blieben und ihren Gebieter unentschlossen ansahen.
    »Wer wagt es?« fragte er. »Ich habe mich vorhin binden lassen, Don Enrico, weil es mir Spaß machte und ich die Gelegenheit benützen wollte, einmal die Festigkeit Eures Hanfes zu erproben. Ihr sollt sofort sehen, daß sie nicht bedeutend ist.«
    Er machte eine Bewegung, die Arme aus den Fesseln zu ziehen. Da sprang der Colonel empor, um ihn daran zu verhindern, erhielt aber einen so gewaltigen Fußtritt auf den Unterleib, daß er mit einem Schmerzenslaute niederstürzte und einige Sekunden bewegungslos und wie gelähmt liegen blieb.
    Mit einem kräftigen Rucke riß der Gitano den Arm aus der jedenfalls schon vorher gelockerten Schlinge, sprang in den Winkel zurück, in welchem er gelegen hatte und zog unter den dortliegenden Steinen zwei Revolver hervor, welche er bei dem Erscheinen der Carlisten dort versteckt, und die man deßhalb nicht bei ihm bemerkt und gefunden hatte. Er hob den Einen empor, drückte los, und der Erste von den Leuten, welche ihn zu fassen drohten, stürzte, durch die Brust geschossen, nieder. Im folgte der Nächste, und noch hatte der Colonel sich nicht erholt, so sah er schon vier seiner Leute in ihrem Blute liegen.
    So wenig ich sonst kriegerische Geschicklichkeit besitze, das Beispiel des Gitano electrisirte mich und riß mich aus dem Gleichmuthe, welchen ich bisher bewahrt hatte. Ich zog ein Messer, trat zu dem gefangenen Offizier und hatte in Zeit von zwei Augenblicke sowohl seine Bande als auch diejenigen des Maulthiertreibers durchschniten.
    »
Gracia a

Weitere Kostenlose Bücher