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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fand, ohne den geringsten Schaden von diesem Acte der Selbstjustiz davonzutragen. Meine Lage war also keine ganz beruhigende, und mit einem der Sorge sehr verwandten Gefühle beobachtete ich einen Gegenstand, welcher unsern Lauf verfolgte und unserem großen und darum wenig schnell segelnden Fahrzeuge immer näher rückte.
    Erst hatte ich blos die Mastenspitzen gesehen, welche sich deutlich am Horizonte abhoben, nach und nach aber waren die großen lateinischen Segel voll und deutlich hervorgetreten, und jetzt war auch der lange schmale Rumpf zu erkennen, welcher sich unter dem schweren und nachhaltigen Drucke des Morgenwindes mit erstaunlicher Schnelligkeit durch die Fluth bewegte. Es war derselbe Schnellsegler, welchen Abrahim-Arha gestern abgerufen hatte; ich erkannte ihn sofort an einer ausgebesserten Stelle des Vordersegels, welche mir gestern aufgefallen war.
    Ich sprang vom Dache herab und trat an den Bug des Schiffes, wo sich stets der Sitz des Reïs befindet, welcher das Fahrwasser zu prüfen und dem Mustahmel seine Befehle darnach zu ertheilen hat. Er erhob sich.
    »Siehst Du den Sandal dort hinten?«
    »Ich sehe ihn, Effendi. Er gehört meinem Freunde Chalihd Beu Mustapha und ist das beste Schiff zwischen dem Sudan und Kahira.«
    »Dein Freund Chalihd Ben Mustapha wird heute noch zu seinen Vätern gehen.«
    »Ich höre, was Dein Mund spricht, aber ich verstehe es nicht!«
    »Er hat sein Schiff einem Manne geliehen, der mein Todtfeind ist. Es wird die Kugel zwischen uns gewechselt werden, und mein erster Schuß wird Chalihd Ben Mustapha wegnehmen.«
    »Allah behüte uns, Effendi! Warum soll der Sohn Mustapha’s büßen die Sünde Deines Feindes?«
    »Weil er ihm sein Schiff leiht, mich zu verfolgen.«
    »Ich werde nicht erlauben, daß hier auf meinem Fahrzeuge sich der Geruch des Pulvers erhebt!«
    »Rabbena chalïek, der Herr erhalte Dich! Denn wenn Deine Seele nur eine Sylbe denkt, was mir nicht gefällt, so wird die erste Kugel nicht Deinen Freund, sondern Dich selbst treffen. Jetzt weißt Du meine Worte. Allah lenke Deine Gedanken!«
    Hassan hatte Alles gehört und sprach, als ich mich entfernt hatte, mit dringlichen Geberden zu dem Reïs. Ich konnte jetzt nichts weiter thun und mußte das Kommende geduldig abwarten.
    Die Ermahnungen meines alten Beschützers schienen doch nicht ohne Erfolg zu sein, denn es dauerte nicht lange, wurde noch eine Trikehia, ein kleineres Segel, beigesetzt, um die Schnelligkeit des Schiffes zu vergrößern. Doch merkte ich gar bald, daß die Entscheidung dadurch höchstens verzögert, nicht aber aufgehoben werde.
    Natürlich war ich fest entschlossen, Alles, selbst das Aeußerste zu wagen. Unter Umständen hätte ein Geldgeschenk große Wirkung gehabt, aber ich kannte diese Art Leute gut genug und wußte, daß die Peitsche Omars und meine Büchse mir größeren Respect verschaffen würden, als sonst ein anderes Mittel.
    Diese Meinung wurde auch sofort bestätigt; denn einer der jungen Schiffer bestieg das kleine Boot und blieb zurück. Wenn ich diesen Vorgang auch nicht zu beachten schien, so wußte ich doch, daß er den Befehl erhalten hatte, Chalihd Ben Mustapha vor meiner Kugel zu warnen. Der Orientale weiß, daß der Europäer bessere Waffen besitzt und ein sichererer Schütze ist, als er, und hegt deshalb eine ganz besondere Abneigung, sich der Mündung einer fränkischen Büchse gegenüberzustellen.
    Die Zeit verging, der Sandal kam immer näher und hatte uns endlich so weit eingeholt, daß der zurückgelassene Bote wieder zu uns stoßen konnte. Seine Botschaft war nicht unberücksichtigt geblieben, denn obgleich das eine Segel eingenommen wurde, um gleichen Schritt mit uns zu halten, steuerte man doch nicht auf uns zu, sondern hielt sich immer in vorsichtiger Entfernung, und als ich mit meinem Rohre jetzt einen ziemlich entfernten Würgfalken, welcher fischend über das Wasser zog, herunterholte, war ich fest überzeugt, die guten Leute in eine heilsame Angst versetzt zu haben.
    Abrahim-Arha war mit dieser außerordentlichen Vorsicht natürlich nicht zufrieden. Ich sah ihn unter den drohendsten Gesten drüben herumrennen und sich endlich mit Gewalt des Steuers bemächtigen. Der Sandal drehte sich herum und hielt auf uns zu.
    Ich schritt, die Büchse in der Hand, auf den Reïs zu.
    »Siehst Du Deinen Freund Chalihd Ben Mustapha, den Kapitän, vorn am Buge sitzen?«
    »Ich sehe ihn, Effendi!«
    »Ich werde zu ihm sprechen, um ihn zu warnen.«
    »Allah erleuchte Dich,

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